Evolutionsvorsprung durch Fingerfertigkeit

Egal ob Homo sapiens oder seine Vorfahren: Der menschliche Präzisionsgriff ist herausragend - speziell bei kleinen Objekten.
Der Mensch ist der Fingerfertigste unter den Primaten. Das hat anatomische Gründe, haben österreichische Forscher herausgefunden.

Bei sehr kleinen Objekten ist die menschliche Hand „besonders herausragend“. Das sagt Thomas Feix. Der österreichische Maschinenbauer muss es wissen, hat er unser Greifwerkzeug doch mit biomechanischen Modellberechnungen unter die Lupe genommen und festgestellt, dass der Mensch mehr Möglichkeiten hat, Dinge bis etwa Tennisball-Größe mit einem Präzisionsgriff zwischen Daumen und Zeigefinger zu positionieren, Feix und sein Team haben ihre Erkenntnisse nun im Fachblatt „Journal of the Royal Society Interface" publiziert.

Zangengriff

Die Wissenschafter haben für heute lebende Menschen, Affen und Lemuren, sowie ausgestorbene Menschenarten wie Neandertaler und Australopithecus afarensis anhand der Fingerproportionen und der Beweglichkeit der Gelenke bestimmt, wie groß der Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum für im Verhältnis zur Fingerlänge unterschiedlich große Gegenstände ist. Denn bei fast allen präzisen oder kraftvollen Greifarten sei es wichtig, Dinge zwischen Daumen und Zeigefinger festzuhalten, so die Forscher.

Feix, der seit 2012 am Department of Mechanical Engineering and Material Science an der Yale University New Haven (US-Bundesstaat Connecticut) forscht, hat herausgefunden, dass unser möglicher „Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum“ etwa doppelt so groß ist, wie der anderer Primaten. Das sei vermutlich besonders bei der Werkzeugbenutzung hilfreich.

Nach den Menschen hatten Gorillas den größten Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum, gefolgt von Schimpansen und Bonobos. Die Finger der Menschenaffen seien auf größere Gegenstände optimiert als jene von Menschen.

Fingerfertige Neandertaler

Heute lebende Menschen und ihre fossilen Urahnen unterscheiden sich dagegen kaum, was den Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum betrifft. Auch Neandertaler hätten entgegen früherer Annahmen wohl die gleiche Fingerfertigkeit wie moderne Menschen gehabt.
Bei Australopithecus afarensis ist es derzeit fraglich, ober er schon Werkzeug gebrauchte. Die Geschicklichkeit seiner Hände hätte es wohl möglich gemacht. „Unser Modell hat jedenfalls keine Gründe gefunden, warum es nicht so sein sollte“, erklärte Feix, der sein Doktoratsstudium in Maschinenbau an der Technischen Universität (TU) Wien absolviert und in dieser Zeit als Doktoratsstudent beim Medizintechikkonzern Otto Bock Healthcare in Wien gearbeitet hat.

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