EU: Datenschutzpläne treffen auf Realität

EU: Datenschutzpläne treffen auf Realität
Die Pläne von EU-Kommissarin Reding werden positiv aufgenommen, doch ihre Umsetzung ist schwierig.

Als "Revolution" wurde der Gesetzesentwurf der EU, der den Datenschutz für 500 Millionen Bürger neu regeln soll, bereits  bezeichnet. Ob Online-Netzwerk, Suchmaschine oder Internet-Shop: EU-Kommissarin Viviane Reding will für mehr Kontrolle und Sicherheit sorgen. Internet-Riesen wie Google und Facebook begrüßen den Gesetzesentwurf offiziell.

"Das ist  gut, weil wir nicht mehr mit 27 verschiedenen Datenschutzbehörden zu tun haben", so eine Facebook-Sprecherin zur futurezone. Auch Google gefällt der Vorstoß, doch in Stein gemeißelt sieht man ihn nicht. "Wir freuen uns, die Vorschläge zu diskutieren", so ein Google-Sprecher.

Milliarden Euro

Während die großen Internet-Dienste nach außen gelassen tun, dürfte es hinter den Kulissen aber bereits seit Monaten rund gehen. So gibt es zwischen der aktuellen Fassung und jenem Entwurf, der im Dezember 2011 an die Öffentlichkeit geriet, einen wesentlichen Unterschied: Die Passage, die von Nutzern ausdrückliche Zustimmung für die Verarbeitung ihrer Daten für Werbezwecke verlangt hätte, wurde gestrichen – wohl nach intensivem Lobbying der Online-Werbebranche in Brüssel.

Denn hätten Nutzer etwa von Facebook oder Google noch einmal gefragt werden müssen, ob sie maßgeschneiderte Werbung auf Basis ihrer Interessen wollen (z. B. Bierwerbung für Fußball-Fans), hätten viele "Nein" gesagt – was  schwerwiegende Auswirkungen auf das Milliardengeschäft bedeutet hätte.

Wirtschaftsfaktor

Um Milliarden geht es auch weiterhin: Während Reding mit den neuen Bestimmungen Internetfirmen 2,3 Mrd. Euro sparen helfen will, konterte Facebook-Managerin Sheryl Sandberg im Rahmen der Münchner Konferenz DLD mit einer Studie zum "Wirtschaftsfaktor Facebook". Zu 15,3 Milliarden Euro Einnahmen würde man europäischen Firmen (z. B. Entwicklern von Facebook-Spielen) verhelfen, und diese könnten so wiederum 232.000 Jobs vergeben. Bei einer Einschränkung der Datenweitergabe von Facebook an Drittfirmen wäre das kaum möglich.

Johann Maier, Vorsitzender des österreichischen Datenschutzrates, rechnet mit Widerstand aus EU-Mitgliedsstaaten und  Wirtschaft. "Der Prozess wird sich über Jahre hinziehen."

Technische Hürden

Auch das "Recht auf Vergessen" erntet  Kritik. "Ein Facebook-Foto  zu löschen, das von anderen geteilt, kopiert oder weitergeleitet wurde, ist technisch kaum möglich", meint etwa ein ranghoher Manager eines führenden Anbieters von Server-Netzwerken.

Auch ist nicht klar, wie mit Inhalten umgegangen wird, die andere Nutzer über eine Person in Online-Netzwerken veröffentlichen. Das Löschen einer kritischen Statusmeldung oder eines entblößenden Videos berührt mitunter das Recht auf Meinungsfreiheit. "Das ist, als würde man von jemandem verlangen, etwas zu vergessen, was er bereits weiß", sagt der US-Autor Jeff Jarvis ("Was würde Google tun?") auf der DLD zur futurezone.

Ideenbremse

Jarvis kritisiert auch  die Vorgabe "Privacy by Design", also die Regel, dass Web-Dienste die Grundeinstellungen auf "privat" setzen. Der Foto-Service Flickr etwa hätte nur   populär werden können, weil die Bilder dort prinzipiell öffentlich und nur auf Wunsch privat seien, so Jarvis. Anders herum hätten die Millionen Nutzer diese Fotos nie gefunden, gesehen und kommentiert. Insofern seien die EU-Regeln eine Hemmschwelle für neue Ideen und ihre Wachstumschancen.

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