Entschuldigung!

Langläufer Johannes Dürr bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Oslo. Dürr wurde wegen eines positiven Dopingtests von den Olympischen Spielen ausgeschlossen
Wissenschaftler enträtseln die Kunst der richtigen Abbitte und erklären, wie die Chancen auf Vergebung für Johannes Dürr stehen

So sieht Schreckstarre aus: Mehr Schweigen, als sprechen, die wenigen Worte kommen stockend: "Es tut mir wirklich leid! So viele Leute haben sich den Arsch für mich aufgerissen, ich habe sie enttäuscht mit meiner Blödheit!" Also sprach der Langläufer Johannes Dürr, nachdem er als Dopingsünder entlarvt war.

Entschuldigungen sind ein merkwürdiges Phänomen: Fehler ungeschehen machen können sie nicht. Meist sind sie auch nicht mehr als Lippenbekenntnisse. Und dennoch wirken sie mitunter Wunder. Warum das in der Causa Dürr nicht der Fall sein wird, erklärt Urs Fischbacher, Verhaltensökonom von der Universität Konstanz: "Es wird wohl nichts bringen, weil er nicht glaubhaft machen wird können, dass es keine Absicht war."

Böse Absicht

Fischbacher erforscht gemeinsam mit Verena Utikal, ob es Unterschiede beim Verzeihen für absichtliches und unabsichtliches Verhalten gibt. Dazu beobachteten sie im Rahmen von Experimenten zwei Versuchsteilnehmer, die gemeinsam Probleme lösen sollten, sich dabei aber auch auf Kosten des anderen bereichern konnten. Am Ende konnte das Opfer wählen: Den Spielpartner für sein Fehlverhalten bestrafen – oder seine Entschuldigung akzeptieren.

Ergebnis: Solange die Opfer nicht wussten, ob ihnen absichtlich oder aus Versehen geschadet worden war, hatte eine Entschuldigung enorme Wirkung. Wer Abbitte leistete, wurde mit einer 17 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit bestraft als jemand, der stumm blieb. Blieb die Entschuldigung aus, wuchs die Tendenz, es dem Gegenüber heimzuzahlen.

War dem einen Spieler klar, dass der andere absichtlich geschadet hatte, bewirkte eine Entschuldigung sogar das Gegenteil: Sie erhöhte Wahrscheinlichkeit und Ausmaß der Bestrafung. Wenig verwunderlich: "Wir verzeihen also leichter, wenn uns andere unabsichtlich geschadet haben", sagt Utikal. Noch etwas hat die Forscherin herausgefunden: "Die Wortwahl ist wichtig. Ein ,Sorry‘ ist zu vage und wird von jenen, die absichtlich schädigen, viel öfter benutzt."

Geld statt Reue

Sogar in der Geschäftswelt sind Gesten wichtiger als Geld, lautet eine der zentralen Erkenntnisse der Wissenschaft. Vergebung ist offenbar nicht käuflich. Das hat ein Forscherteam um Johannes Abeler von der Universität Nottingham herausgefunden. Die Forscher wollten wissen, wann unzufriedene Kunden bei eBay negative Bewertungen zurückziehen. Dazu kooperierten sie mit einem sogenannten Powerseller, der mehr als 10.000 Transaktionen pro Monat abwickelt. Innerhalb von fünf Monaten gaben mehr als 630 Käufer dem Anbieter eine neutrale oder negative Bewertung – wegen verzögerter Lieferung, kaputter Ware oder weil ihnen die Qualität nicht passte.

Einem Teil der verärgerten Kunden bot der Powerseller eine Entschädigungszahlung an und forderte sie auf, im Gegenzug, ihr Negativ-Urteil zurückzuziehen. Die Aktion stieß auf wenig Resonanz: Nur 19 Prozent der Kunden akzeptierten den Kuhhandel. Selbst wenn die Zahlung verdoppelt wurde, gingen nur 23 Prozent darauf ein. Ganz anders, als man sich bei den Kunden entschuldigte und die Gründe für die Probleme erläuterte: 45 Prozent zogen ihre schlechte Bewertung zurück.

Perfekte Abbitte

Die deutsche Sozialpsychologin Johanna Kirchhoff hat übrigens im Rahmen ihrer Doktorarbeit die Zutaten für das perfekte Reue-Bekenntnis ermittelt: Wichtig sei die Formulierung "ich entschuldige mich", ebenso wie das genaue Benennen dessen, wofür man sich entschuldigt und natürlich das Eingeständnis eines Fehlers. Nicht zu vergessen, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

Auch ein Erklärungsversuch sei gut, wenn dabei nicht übrig bleibt, dass man sich aus der Verantwortung stehlen will und versucht, die Schuld auf andere abzuwälzen.

Für Sportler gelten in diesem Zusammenhang übrigens andere Gesetze, sagt der Verhaltensökonom Fischbacher. "Das sind Verfehlungen, die Menschen außerhalb des Sports oft gar nicht begehen können." Daher gehe die Öffentlichkeit strenger damit um als mit Dingen, die jedem passieren können. Bedeutet: EPO-Sünder Johannes Dürr hat trotz öffentlichen Kniefalls eher schlechte Karten. Zumindest, was die Wissenschaft von der Abbitte betrifft.

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