Endlich einmal faul sein!

"Faulheit kommt nur dort auf, wo es Überwindung braucht. Niemand ist zu faul zum Essen."
Manchmal will man einfach nicht. Und das ist okay, sagt der Existenzanalytiker Alfried Längle.

Wochenende. Jetzt aber ausspannen, den Kopf ausschalten. Wenn da nur nicht so viel zu erledigen wäre. Nur vier von zehn Österreichern verbringen ihre freien Tage entspannt, ergab eine aktuelle Umfrage von marketagent.com. Der Samstag geht bei den meisten für Hausarbeit und Besorgungen drauf. Zwei Drittel geht die Arbeit auch am Wochenende nicht aus dem Kopf.

Dabei ist es notwendig, sich auch einmal auf die faule Haut zu legen. Denn "Nichtstun ist auch Tun", sagt der Vorarlberger Psychotherapeut Univ.-Prof. Alfried Längle im Interview mit dem KURIER. Der Existenzanalytiker hat lange eng mit Viktor Frankl zusammengearbeitet und dessen Biografie geschrieben. Er erzählt, warum man nie ohne Grund faul ist, wie sich aus dem schlechten Gewissen, etwas aufzuschieben, ein positives Gefühl entwickeln kann, und weshalb der Mensch nie zu faul ist, etwas zu essen.

KURIER: Herr Professor, darf man sich in unserer heutigen Zeit überhaupt noch erlauben, faul zu sein?

Endlich einmal faul sein!
Alfried Längle, Psychotherapeut, Bilder zur freien Verwendung
Alfried Längle: Man sollte es sich erlauben. Das ist aber das Problem in dieser stressigen Zeit, wo so viel Hochleistung gefordert wird und Burn-out zunimmt. Faulheit tritt quasi als Vorstufe zum Burn-out auf. Man ist noch nicht ausgebrannt, aber schon nicht mehr motiviert. Je mehr man sich selbst und dieses Gefühl übergeht, weil man so zielorientiert denkt, desto eher schadet man sich. Viele Menschen spüren aber, dass sie nicht noch mehr haben wollen oder noch schneller sein müssen – und das wird dann als Faulheit abgetan. Dabei ist Faulheit im Grunde genommen häufig eine Schutzreaktion gegen Überforderung.

Welchen Sinn hat Faulheit?

Die Bezeichnung Faulheit ist eine Selbst- oder Fremdabwertung – ohne zu verstehen, was dahinter liegt. Wir sind nicht von Natur aus faul oder aus Charakterschwäche – Faulheit hat immer einen Grund, dem man nachgehen muss, um auf das Eigentliche zu kommen, worum es geht. Dann kann Faulheit zu einer Quelle der Erkenntnis und zu einem Anfang der Verhaltensänderung werden.

Das Gegenteil von Faulheit ist Fleiß – kann man fleißig faul sein?

Der faule Mensch hat keinen Bock darauf, etwas Bestimmtes zu tun. Er ist demotiviert oder hat einen Motivationsmangel. Wenn man dem Wort Faulheit den moralischen Mantel auszieht, spricht man von "fehlender Motivation". Aber im Grunde ist der Mensch immer motiviert, zum Beispiel, es gut zu haben im Leben. Oder Fußball spielen zu gehen oder länger zu schlafen. Es geht immer um etwas. Er hat immer einen subjektiv guten Grund, etwas anderes zu machen. Die Aufgabe ist, draufzukommen, warum die Motivation für ein Ziel nicht da ist. So entsteht ein positiver Anstoß aus dem negativen Begriff Faulheit.

Wenn wir faul sind, wollen wir also lieber etwas anderes machen?

Eine andere Motivation hat einen höheren Wert als die vorgegebene Aufgabe. Faulheit kommt nur dort auf, wo es Überwindung braucht. Niemand ist zu faul zum Essen. Wenn ich immer zu faul bin zum Joggen, wäre es vielleicht besser, ich gehe spazieren oder klettern oder zum Tennis. Die Frage ist: Wo zieht es mich hin?

Oft schieben wir Dinge lieber auf – warum brauchen wir diesen Aufschub?

Beim Aufschieben will man etwas nicht gleich machen, man hat es aber noch nicht aufgegeben. Der Unterschied zur Faulheit ist, dass beim Aufschieben der Druck des schlechten Gewissens oder der äußeren Umstände gespürt wird, weil man sieht, wie sich die Lage verschlechtert. Je besser ich Zugang zu mir selbst habe, desto weniger brauche ich etwas aufzuschieben. Weil die Motivation dann frei fließt.

Wann ist Faulheit eine freie Entscheidung und wann nicht mehr?

Was wir als Faulheit bezeichnen, wird zunächst als innerer Widerstand erlebt – "ich kann oder mag etwas jetzt nicht tun". Es ist eine Abneigung oder Lustlosigkeit dabei. Wenn jemand zu sich steht, nimmt er das in die Freiheit und sagt: "Ich will es jetzt nicht tun." Wenn er das nicht kann, findet er Ausreden als Legitimation. Aber ich bleibe damit in der Zone der Unfreiheit, wenn ich nicht verstehe, warum ich nicht zu motivieren bin.

Wie halten Sie es selbst mit der Faulheit, Herr Professor?

Ich halte mich nicht für faul, aber ich habe immer wieder Zeit, in der ich nichts tue oder einfach nur herumhänge. Einfach sein können ist für mich eine hohe Tugend, eine hohe Kunst – das Ziel ist Gelassenheit. Was ist daran Faulheit?

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