Eine Leine zum Loslassen

Notanker Schleppleine: Bricht beim Hund der Jagdinstinkt durch, leistet die lange Leine gute Dienste.
Schleppleinen-Training: 15 Meter zwischen Mensch und Tier helfen dem Hund, das Kommando "Komm" bestmöglich befolgen zu lernen.

Ein Spaziergang mit Hund kann zum Spießrutenlauf werden. Hier droht der Zusammenstoß mit Jogger, Radfahrer oder Auto. Da locken Artgenossen und potenzielle Beutetiere. Dort verführen Würstelstand und Keks in Kinderhand. Überall ziehen Duftbotschaften an, die gelesen und überschrieben werden müssen.

"Die Leine ist prinzipiell eine Verbindung zwischen Hund und Halter. Sie schränkt die Bewegungsfreiheit des Vierbeiners zwar ein, kann ihm aber auch Sicherheit geben. Sie überträgt auch Stimmungen von Mensch zu Tier", sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn weiß, dass Leinenführigkeit hart erarbeitet werden muss – von beiden Seiten. So wie bestimmte Kommandos, die der Hund beherrschen muss. Die bis zu 15 Meter lange Schleppleine kann bei der Erziehung helfen.

Rückruf

"Die Schleppleine ist ein wunderbares Mittel, um das Kommando ,Komm‘ in Erinnerung zu rufen und zu festigen", sagt der KURIER-Tiercoach. Ihr Verwendungszweck: Wenn Unarten vorgebeugt werden soll. Und wenn unerwünschtes Verhalten korrigiert werden muss. Ihre Einsatzdauer: Bis der Rückrufbefehl bestmöglich befolgt wird. Das kann dauern: "Ein Jahr Schleppleine bedeutet zehn Jahre Freiheit für den Hund", gibt Schratter eine Faustregel für Konsequente aus. Letztlich geht es beim Schleppleinen-Training nicht ums Stoppen, sondern ums Loslassen.

Welpen folgen ihrem neuen Besitzer auf Schritt und Tritt. Rasch lernen die jungen Schüler die ersten Kommandos. Ab dem vierten Lebensmonat bricht bei den Pubertierenden freilich der Jagdinstinkt durch. Vorbei ist das treue Bei-Fuß. Potenzielle Beute – vom Spielzeug bis zur Taube – lenkt alle Aufmerksamkeit auf sich und vom Halter ab. Beim Fixieren und Anschleichen nimmt der Hund die Stimme seines Begleiters noch wahr. Hetzt er los, ist es für jede Anweisung zu spät. Nur die Leine bremst dann. "Die Schleppleine ist ein Notanker. Mit ihr kann man sich auf Distanz durchsetzen", erklärt die Expertin.

Brustgeschirr

Der verlängerte Arm des Hundeführers ist optimal zehn bis 15 Meter. Aufgrund ihrer Länge schleifen Schleppleinen über weite Strecken am Boden, dabei werden sie schmutzig und nass. "Leinen aus Kunststoff lassen sich einfacher reinigen", empfiehlt Schratter. Ledermodelle sind robust, aber aufwendig in der Pflege, sie müssen auch regelmäßig gefettet werden. Beide Varianten hängen mittels Karabiner an einem gut sitzenden Brustgeschirr. Von Halsbändern – selbst mit breiter Auflage – ist abzuraten. Startet der Hund durch, besteht Würge- und Verletzungsgefahr. Der Halter schützt sich in diesem Fall mit Handschuhen vor Verbrennungen. Achtsamkeit ist oberstes Gebot.

Training

"Wer sich für das Schleppleinen-Training entscheidet, nimmt immer die Schleppleine. Beim Gassigehen hält man sie kurz, beim Training lang", sagt der KURIER-Tiercoach. Der Hund wird schrittweise an die lockere Führung gewöhnt. Zunächst beträgt sein Bewegungsradius fünf Meter. Beginnt er herumzuschnüffeln, gibt der Halter einen Richtungswechsel vor. Kommt der Vierbeiner mit, erhält er Lob und Leckerli. Mit Belohnung lernt der Hund in kurzer Zeit, mehr auf seinen Führer zu achten. Die Leine kann länger werden. Reagiert der Hund nicht, wird ein Leinenimpuls gesetzt: Die Leine wird leicht geschüttelt, mit Reißen hat das nichts zu tun. Der Hund soll lediglich spüren, da ist jemand. Klappt das verlässlich, kann der Besitzer die Schleppleine auch aus der Hand geben – und nur bei allzu verlockenden Reizen zupacken.

"Das Schleppleinen-Training erfordert Fingerspitzengefühl", sagt Dagmar Schratter. Und Durchhaltevermögen. Erst wenn der Hund das Kommando "Komm" beherrscht, hat die Schleppleine ausgedient. Nur beim Toben mit Artgenossen heißt es auch in Trainingszeiten: Leinen-los.

Die Gesetzeslage zur Maulkorb- und Leinenpflicht ist in Österreich nicht einheitlich geregelt. In Wien gilt: Auf öffentlichen Plätzen und in frei zugänglichen Bereichen müssen Hunde entweder Beißkorb tragen oder an der Leine geführt werden. In öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Märkten brauchen Hunde sowohl Maulkorb als auch Leine. In ausgewiesenen Hundezonen können Hunde ihre Freiheit genießen.

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