Ein digitales Planetarium für das Naturhistorische Museum Wien

Der Direktor des Naturhistorischen Museums, Christian Köberl, präsentiert ein digitales Planetarium als Dauerinstallation
Zum 125. Geburtstag schenkt sich das Naturhistorische Museum Wien ein Planetarium.

Es bewegt sich was im Naturhistorischen Museum (NHM). Schon draußen vor den Museumstoren hört man das Gebrüll des Allosaurier-Modells aus Saal 10, das Kinder abwechselnd in Angst und Verzücken versetzt. Der Animatronic, eine der populären Attraktionen des Hauses, bekommt Konkurrenz. Sechs Ausstellungsräume weiter steht die neu errichtete Kuppel des digitalen Planetariums, ausgestattet mit einem Full- Dome-Videoprojektor, die rechtzeitig zur 125-Jahr-Feier am Sonntag eröffnet wird. 62 Menschen werden im Kuppelsaal Platz finden, geboten wird den Besuchern eine virtuelle Reise durch das bekannte Universum.

Mond, Littrow-Krater

Ein digitales Planetarium für das Naturhistorische Museum Wien
Der Direktor des Naturhistorischen Museums in Wien, Christian Köberl, präsentiert ein digitales Planetarium als Dauerinstallation. Wien, 23.09.2014
"Das kann doch was", sagt NHM-Generaldirektor Christian Köberl und bestaunt die panoramahaften Satellitenbilder des Mondes, die noch von der Apollo-17-Mission gemacht wurden und die nun, digital bearbeitet, von den seitlichen Projektoren an die Wand geworfen werden. Köberl ist in seinem Element: "Da im Hintergrund sehen Sie entweder Eugene Cernan oder Jack Schmitt (NASA-Astronauten 1972, Anm.)." Auch das Mondauto ist in der Mondlandschaft des Littrow-Tals deutlich zu sehen, benannt übrigens nach einer altösterreichischen Astronomen-Dynastie, erläutert der Wissenschaftler. Teilweise auf Englisch setzt er fort: "Was wir hier machen können, ist grenzenlos, the sky is not the limit".

Köberls Begeisterung hat auch mit seinem Zweitberuf als Meteoritenforscher zu tun. Der NHM-Direktor ist an zwei Experimenten beteiligt, die auf dem Kometen-Orbiter "Rosetta" durchgeführt werden.

Ein digitales Planetarium für das Naturhistorische Museum Wien
Der Direktor des Naturhistorischen Museums in Wien, Christian Köberl, präsentiert ein digitales Planetarium als Dauerinstallation. Wien, 23.09.2014
Während die Techniker noch schnell einen virtuellen Test-Flug durch die Saturnringe vollführen, preist Köberl die Vorzüge der digitalen Vorführung gegenüber klassischen optomechanischen Planetarien (griech.-lat. Planetenmaschine). "Das Faszinierende ist, dass wir den Sternenhimmel nicht mehr nur von der Erde aus betrachten, wir überwinden die geozentrische Begrenzung und können zum Beispiel den Sternenhimmel vom Mars aus anschauen. Wir können auch eine Mondfinsternis vom Mond aus beobachten, dort ist sie dann eine Sonnenfinsternis. Wir sind frei in der virtuellen Welt, aber astronomisch-wissenschaftlich dennoch korrekt."

Das bekannte Universum ist in der Software der Digitalen Planetariums erfasst, ca. 600.000 Kleinplaneten und ihre Bahnen wurden eingespielt. Die meisten Exoplaneten sind künstlerische Darstellungen, bei den Planeten und ihren Trabanten in unserem Sonnensystem kommen aber Satellitenbilder mit hoher Auflösung zum Einsatz. Bei der Erde selbst ist die Darstellung auf 10 Meter genau.

Haus der Sterne

Mehrere IMAX-Filme werden im neuen "Haus der Sterne" zu sehen sein, mit biologischen, astronomischen und geologischen Inhalten: vom Urknall bis zum Leben auf der Erde; das Leben der Bäume; die Dinosaurier.

Für Generaldirektor Christian Köberl ist das Planetarium eine Erweiterung der Meteoritensammlung, der ältesten ihrer Art, "denn mit den Objekten allein lockt man heute keinen Besucher mehr hinter dem Ofen hervor".

Tag der offenen Tür im NHM: Sonntag, 28.9., von 10 bis 17 Uhr, ab 13 Uhr Präsentation des Digitalen Planetariums, 15-minütiges Kurzprogramm

Geschätzte 30 Millionen Sammelstücke beherbergt das Naturhistorische Museum, zusammengetragen seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Die genaue Zahl der getrockneten Pflanzen, Steine, Insekten und Fossilien kennt niemand. Für eine Digitalisierung und Neu-Inventarisierung der Bestände fehlt es an Geld. Generaldirektor Köberl hat noch andere, prinzipielle Bedenken.

Ein digitales Planetarium für das Naturhistorische Museum Wien
Der Direktor des Naturhistorischen Museums in Wien, Christian Köberl, präsentiert ein digitales Planetarium als Dauerinstallation. Wien, 23.09.2014

KURIER: Was spricht gegen eine Digitalisierung der Sammlungen wie bei anderen Museen?
Christian Köberl: Das Naturkundemuseum Naturalis in Leiden digitalisiert einen Teil seiner Sammlungen (7 von 37 Millionen Objekten, Anm.), allerdings hat der holländische Staat dem Museum 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt – um das Geld machen wir es auch. Wir haben in der Insektensammlung 10 Millionen Präparate. Muss ich jeden einzelnen Marienkäfer, der jemals gesammelt wurde, um die Variation in dieser Insekten-Gruppe darzustellen, einzeln fotografieren? Das glaube ich nicht. Es stellt sich die Frage nach dem Speichermedium. Ein Buch kann ich auch nach 500 Jahren noch aufschlagen, aber wer kann heute noch ein Computer-Tape aus den 60er-Jahren lesen?

Also stößt der Wunsch, dass Inhalte naturkundlicher Sammlungen online gratis verfügbar sein müssen, an Grenzen?
Die Digitalisierungsdebatte geht teilweise an der Realität vorbei. Diese perverse Entwicklungen kennt man aus dem Zeitungswesen. Jeder möchte gern lesen, aber keiner möchte dafür zahlen

Ein digitales Planetarium für das Naturhistorische Museum Wien

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