Immer mehr legen selbst Hand an

Die Buchstaben DIY am Eingang zu einer Ausstellung namens "Do It Yourself" im Museum für Kommunikation in Berlin 2012
Vor 15 Jahren wurde das Reparaturnetzwerk gegründet. Zu Besuch bei geschickten Menschen.

Der Besucherstrom vor dem Reparaturcafé "Schraube 14", das jeden Donnerstag seine Tore öffnet, wird von einem Herrn im grauen Arbeitsmantel kanalisiert. Aussichtslose Wünsche sortiert er mit Kenner-Blick aus. Das Ansinnen, den eingedepschten Lieblingssessel der Tochter wieder richten zu lassen, erntet einen mitleidigen Blick. Ob man die Sitzfläche von unten nicht durch ein Metallstück verstärken könnte, damit sie der Belastung wieder standhält? Ehrliche Frage, ehrliche Antwort: "Das kostet sie mehr als der Sessel wert ist." Die Auskunft hätte man auch bei einem Großhändler erhalten, hier hat sie aber Gewicht, ist glaubwürdig. Schließlich haben sich die Mitarbeiter des Reparatur- und Servicezentrums R.U.S.Z. dem Recyclinggedanken verschrieben.

Als sich vor 15 Jahren 23 Betriebe zum Reparaturnetzwerk zusammenfanden, war das R.U.S.Z. mit von der Partie. Geboren aus der Idee, der Wegwerfgesellschaft und ihrer Ressourcenvergeudung mit handwerklichem Geschick entgegenzutreten. Heute zählt das Netzwerk 67 Mitglieder, einige sind Traditionsunternehmen wie die Schleiferei Lorenzi (siehe unten Mitte). 40.000 Reparaturen von Haushaltsgeräten, die sonst weggeschmissen worden wären, werden im Jahr durchgeführt. Allein in Wien sind das 600 Tonnen Müll weniger. Aber selbst R.U.S.Z.-Techniker können beim besten Willen nicht jedes Stück retten, auch nicht den CD-Player, dessen Linse mit Isopropanol gereinigt wurde. Ein paar Wassertupfer hätten gereicht. "Nicht den Kopf hängen lassen. Kommen Sie wieder." Werden wir – denn es gibt immer ein nächstes Projekt.

Info: die umweltberatung vermittelt Reparaturbetriebe 01/803 32 32–22; http://www.reparaturnetzwerk.at

Ingeborg Josel hat, obwohl in der Zubereitung von Cremes und Tinkturen erprobt, lange gebraucht, um sich übers Sieden von Naturseifen „drüberzutrauen“, wie sie sagt. Heute kann sie ihren Kursteilnehmern Folgendes sagen: „Habt Respekt vor dem Umgang mit der Lauge, aber keine Angst.“

Uraltes Handwerk

Das Seifenmachen aus Tierfetten, Pottasche und Kalk ist ein uraltes Handwerk. Die ältesten Rezepte wurden bereits vor Jahrtausenden in Keilschrift notiert. Im Hochmittelalter bildete sich der Beruf des Seifensieders heraus. Das Wissen um die (Zubereitung von Seife blieb in der Bevölkerung bis in unsere Tage erhalten. Die Grazerin Josel ist mit alten Heilmitteln groß geworden. „Wenn ich mir das Knie aufgeschlagen habe, dann gab es die Ringelblumensalbe von der Oma drauf. Gegen starken Husten wurden mir Wickel mit zerdrückten warmen Erdäpfeln auf den Hals gelegt.“ Dieser Praxisbezug hat sie geprägt. Hinter jeder von Josels Seifen steckt eine Idee. Sie kreiert Peeling-Seifen mit Waldviertler-Mohn und mit Minze wegen ihrer desinfizierenden Wirkung dazu. Weil Damen ihre Beine womöglich mit rosa Seife lieber rasieren, ist Tonerde enthalten. Infos zum Seifenladen finden Sie hier.

Immer mehr legen selbst Hand an
Cover

Das Geräusch, das entsteht, wenn Andreas Lorenzi seine Schleifsteine aneinanderreibt, in der Fachsprache „abrichtet“, erinnert an das Abkratzen von Eis von einer Autoscheibe. Erkenntnis Nummer eins im Messer-Crashkurs: Nicht nur der kohlenstoffhältige Stahl der Klingen nutzt sich mit der Zeit ab und wird schartig. Auch die Schleifsteine selbst, die aus Lagen von synthetischen Hartstoffkörnern bestehen, verlieren ihre ebene Oberfläche, sie bilden Mulden, dort wo sie am stärksten genutzt werden. Das Aneinanderreiben macht sie wieder flach.

Messerschmied-Dynastie

Lorenzi stammt aus einer alteingesessenen Wiener Messerschmied-Dynastie mit italienischen Wurzeln. Er ist ein Freund soliden Handwerks und schätzt daher die Güte der so genannten „Omi- und Opi-Messer“ besonders. Weniger hat Lorenzi für Keramikmesser über, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind. „Wenn sie auf der Suche nach der ultimativen Schärfe sind, dann greifen sie zu was anderem, aber wenn sie ein Messer wollen, das ein bissl besser schneidet als ein Löffel, dann mag das Keramikmesser für sie passend sein.“
Lektion Nummer zwei: Messer wegzuschmeißen, nur weil sie stumpf geworden sind, ist eine Sünde. Ein einfaches Service kostet nur 10 Euro.

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Heinz Tschürtz, 15 Jahre Reparaturnetzwerk
Heinz Tschürtz sitzt in der Fahrrad-Werkstatt seines Freundes Jörg Schaffler in Wien 8 und bereitet die Teilnehmerlisten für den bevorstehenden Reparaturworkshop „offener Werkstatt(t)raum“ vor. Die Bastler-Runde wird auf einer Tischplatte hobeln, und es dürfen durchaus Späne fallen. Tschürtz, Schaffler und ein weiterer Mitstreiter im weit gespannten Wiener Reparaturnetzwerk, ein Zimmermann, leisten hier Hilfe zur Selbsthilfe.

Thermen-Retter

Die Idee entstand im „energie & reparatur café“ im Florianihof, das Tschürtz organisiert, und wo einander Menschen treffen, die ihre Elektrogeräte, Laptops und Computer lieber reparieren als wegzuwerfen. Dort darf man natürlich keinen Mist machen, daher vermittelt Tschürtz Reparaturwünsche an Betriebe in der Nähe, „die das pipifein machen“.
In seinem angestammten Gewerbe rettet Tschürtz seit mehr als 30 Jahren Alt-Thermen (www.tschuertzservices.at) vor der Entsorgung. Der Mechatroniker weiß, dass manche Kollegen ihre Kunden den Thermentausch sehr nahelegen, „weil die glaubhaft versichern, das Gerät sei lebensgefährlich, obwohl in Wirklichkeit nur ein Kondensator defekt ist“. Tschürtz freut sich über den Trend zu Achtsamkeit und Umweltbewusstsein. Unerreichtes Vorbild für Wiederverwertung ist Tschürtz’ Mutter daheim im Burgenland. Sie wäscht benutzte Plastiksackerln aus.

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