Die Zukunft des Liebens

Die Zukunft des Liebens
Partnerschaften haben viele Gesichter, doch die Sehnsucht nach großen Gefühlen bleibt.

Irgendwo ist gerade ein Mädchen auf dem Weg zur erwachsenen Frau. Nennen wir sie Marlene Mustermann. Sie wird sich verlieben, eine Familie gründen, sich trennen, sich erneut binden – diesmal in Form einer Living-apart-together-Beziehung (zusammen sein und getrennt leben), die nach drei Jahren ebenfalls endet. Nach Jahren als Single mit zwei Töchtern wird sie sich entschließen, mit ihrer besten Freundin und deren Sohn eine Wohngemeinschaft zu gründen.

"Manche Leute würden sich nie verlieben, wenn nicht so viel von der Liebe die Rede wäre."François de La Rochefoucauld

"Die Familie ist heute – anders als in der Nachkriegszeit – nicht mehr die einzige Möglichkeit, sein Leben zu leben", sagt die deutsche Gender-Forscherin Cornelia Koppetsch von der Technischen Universität Darmstadt. Pluralität lautet das Zauberwort. "Familien-Leben ist künftig auf ganz wenige Jahre beschränkt: Man heiratet, bekommt Kinder, lässt sich scheiden. Das war es dann möglicherweise mit Familie, denn künftig will man lieber mit Freunden zusammenleben."

Beim heurigen Forum Alpbach versuchte Koppetsch gemeinsam mit der Ärztin, Psychotherapeutin und Familien-Expertin Martina Leibovici-Mühlberger die "Partnerschaft von morgen" (so auch der Seminartitel) festzumachen. Kernsatz: Die Partnerschaft ist tot, es leben die Partnerschaften.

"Die Partnerschaft ist tot. Es leben die Partnerschaften."Martina Leibovici-Mühlberger Psychotherapeutin, Familienexpertin

"Ehe, eingetragene Partnerschaft, gleichgeschlechtlich, mit oder ohne Kind, Patchwork, Wohngemeinschaften – alles wird normal", sagt Leibovici-Mühlberger. Und das mache es für Soziologen, Psychologen und Familien-Coaches in Zukunft noch schwieriger. Denn die Struktur der Familie wird irgendwann kaum mehr dingfest zu machen sein.

Das wichtigste Motiv, eine Partnerschaft einzugehen, ist aber nach wie vor: "Ich will mich verlieben!", sagt Koppetsch. "Die romantische Liebe ist heute noch viel wichtiger als früher, denn wir leben in einer Gesellschaft, in der alles entzaubert wurde. Junge Liebe ist eines der wenigen romantischen Ereignisse im Alltag, der sonst nur rational und von Routine geprägt erlebt wird." Der Zauber der Schmetterlinge im Bauch sollte also auch 2020, 2030 und 2040 noch funktionieren. Aber deshalb heiraten? Hier ist die Antwort der Wissenschaftlerinnen eindeutig: Sie beobachten schon heute, dass junge Leute in erster Linie wirtschaftliche Beweggründe nennen – "und den Wunsch, ein schönes Fest zu feiern", ergänzt Koppetsch.

Was Paaren zunehmend Probleme bereitet, sei die "Psychologisierung der Liebe", wie es die Genderforscherin nennt: "Zum einen ist da die Vorstellung von der romantischen, schicksalhaften, alles überwindenden Liebe und zum anderen die reale Notwendigkeit, an der Beziehung zu arbeiten." Wer an diesem Punkt scheitert, kommt wohl zum Schluss: Lebenslang macht nicht glücklich, die Liebe kommt, die Liebe geht – und mit ihr die Partner. Wer dagegen dauerhaft in einer fixen Beziehung glücklich sein wolle, so die Soziologin, müsse akzeptieren, dass er dabei nicht ständig neu verliebt sein könne.

Gleichheit

Und der Traum vieler, dass sich die Geschlechterrollen egalisieren? "Stimmt nicht", sagt die Gender-Forscherin. Die Idee der Gleichheit und Partnerschaftlichkeit sei nur in der hoch qualifizierten Mittelschicht mit urbanem Lebensstil fest verankert. Und so orten Trendforscher, dass die "Feudalfamilie" als eine Form der Partnerschaft von morgen gute Überlebenschancen habe. Bei dieser Variante hütet die Frau, wie einst, Haus und Kinder, der Mann bringt (viel) Geld nach Hause – und hat das Sagen. Der Kitt, der Feudalpaare zusammenhält, ist der Wohlstand.

"Was Partnerschaften betrifft, sind wir wieder einmal an einem Wendepunkt, und wir müssen rasch handeln", sagt Leibovici. "Wir schicken die junge Generation heute in der Übergangsphase vom Paar zur Familie auf einen Kriegsschauplatz. Politik und Wirtschaft müssten hier schnellstens lebbare Rahmenbedingungen schaffen. "Sonst haben wir schon bald keine neue Generation mehr."

Hochzeit aus Liebe? Ein junges Phänomen1 – Ehe als Wirtschaftseinheit In der vorindustriellen Gesellschaft wurden Arbeit und Familie nicht getrennt – Familie, das war die kleinste Produktionseinheit, z. B. ein Bauernhof. Da standen ökonomische Zwänge im Vordergrund. Bei der Frage, welchen

Partner man wählt, spielte Liebe keine Rolle; sehr wohl aber Geld. Auch im bäuerlichen Milieu

konnte erst geheiratet werden, wenn eine Erwerbsgrundlage, ein Hof, vorhanden war. Zur Familie gehörten auch Knechte und

Mägde. Man war nicht zusammen, weil man einander liebte, sondern weil man überleben wollte.

2 – Ehe als Gefühlseinheit Die Geburtsstunde der großen Gefühle schlug um 1770, als in der Literatur die romantische Liebe salonfähig wurde. Lebenslange, schicksalhafte Bindung wurde zum Ideal für eine bürgerliche Gesellschaft. Doch erst in den 1960er-Jahren wurden die ganz großen Gefühle zum Allgemeingut und zum einzigen gesellschaftlich akzeptierten Heiratsgrund.

3 – Vielfältige Partnerschaften Natürlich existiert die romantische Liebe nach wie vor. Aber deshalb gleich heiraten? Da spielen andere Überlegungen eine viel größere Rolle: Wirtschaft- und steuerliche Vorteile, ein schönes Fest zu feiern etc.

Heute gilt außerdem: Die Partnerschaft ist tot. Es leben die Partnerschaften – in allen möglichen Spielformen: Ehe, eingetragene Partnerschaft, gleichgeschlechtlich, mit oder ohne Kind, Patchwork – jeder nach seiner Fasson und Hauptsache vielfältig, lautet die Devise.

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