Die neue Botschaft der Zirbenstube
Wer im Wald steht, sagt ein geflügeltes Wort, sieht ihn vor lauter Bäumen nicht. Und gerade dort, wo die meisten Bäume versammelt sind, kann man diese am wenigsten riechen. Was den spezifischen Waldduft ausmacht, sind nämlich eher modrige Gerüche, Moose, Schwammerln, manchmal auch Harz. Eine unverkennbare Mischung.
Der Baum hingegen gibt seinen Duft erst preis, wenn man ihn fällt und zersägt. Es sind die ätherischen Öle im Holz, die dann in die Nase steigen und ihre Wirkung entfalten. Sie können Stimmung machen und – wie eine sanfte Aromatherapie – die Gesundheit positiv beeinflussen. Im alpinen Raum haben das die Menschen seit Jahrhunderten erlebt, wenn sie auf der Stubenbank um den Tisch zusammensaßen.
Zunächst war die Stube noch ein Wohnraum in Burgen und Adelssitzen. Ab dem 14. Jahrhundert ist sie auch in bäuerlichen Wohnhäusern angekommen. Zentraler Bestandteil, neben dem wärmenden Ofen, waren Bank und Tisch, die umlaufende Bank wurde auch durch Stühle ergänzt. Während sich in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts namhafte Architekten mit einer zeitgemäßen Stubenform beschäftigten, verkam das Stubenkonzept später zu einer rustikalen Tourismusarchitektur.
Neue Stubenhocker
Heute gibt es für die holzgetäfelte Stube aus dem Alpenraum, die traditionell das Zentrum des Hauses bildete, ein neues Interesse. Es entspricht offensichtlich einer Sehnsucht des modernen Menschen nach dem Authentischen, dem Einfachen und Schlichten. Stadt und Land würden jetzt zunehmend in einen Austausch treten, meint die bekannte Trendforscherin Li Edelkoort. Diese Strömung eröffnet auch dem traditionellen, auf Wertbeständigkeit orientierten Handwerk neue Chancen. Für „handgemacht und landgemacht“ gibt es eine Aufbruchstimmung.
Neu ist die zeitgemäße Interpretation. Nicole Horn und Peter Daniel, zwei österreichische Designer, die in Wien und London leben, haben in diesem Trend eine Marktnische entdeckt. Ihr Unternehmen Stuben 21 ist Ideenwerkstatt und Möbelmanufaktur zugleich. „Wir sehen die Stube als sozialen Ort, einen gesellschaftlichen Treffpunkt, einen Raum, der Kommunikation in behaglicher Atmosphäre ermöglicht. Wie es früher schon war und wie wir es heute neu interpretieren.“ Stuben 21 lässt von österreichischen Familienbetrieben mit Geschichte und handwerklicher Tradition das Mobiliar herstellen. Aus heimischen Hölzern, beispielsweise aus Zirbe und Ahorn. „Wir wollten etwas Reduziertes mit klarer Funktion gestalten, das aber dennoch Behaglichkeit und Wohlbefinden ausstrahlt.“
Herzklopfen
Speziell die positiven Eigenschaften der Zirbe oder Arve, die in den Hochlagen der Alpen zu Hause ist, werden seit Jahrhunderten genutzt. Für die Innenverkleidung von Bauernhäusern und Gaststuben, für Truhen und Betten. Dass das Material von Einrichtungen erhebliche Auswirkungen auf das seelische Wohlbefinden und die Gesundheit hat, ist nun auch seit einigen Jahren wissenschaftlich belegt. Das Forschungszentrum Joanneum Research war im Rahmen einer Studie im Auftrag des Tiroler Waldbesitzerverbandes zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Belegt werden konnte, dass die spezifischen Inhaltsstoffe des Zirbenholzes zu einer schonenden Herzfrequenz des Menschen führen.
„Es hat sich gezeigt“, sagt Studienleier Maximilian Moser, „dass der Schlaf in einem Zirbenholzbett weniger Herzschläge benötigt als der in einem Bett mit Spanplatten oder Holzdekor, das genauso aussieht. Es sind im Schnitt 3500 Herzschläge, die man sich jede Nacht erspart.“ Das ist eine ganze Stunde Herzarbeit, also eine erhebliche Entlastung. Auch bei Tag fühlten sich die Probanden aktiver und kommunikationsfreudiger. Womit demonstriert wird, weshalb die traditionelle Zirbenstube zum beliebten Gemeinschaftsraum geworden ist.
Die Neuinterpretation der traditionellen Stube für das 21. Jahrhundert ist inzwischen in der City, im alpinen Raum und auch im Ausland angekommen. Man findet sie zum Beispiel im Restaurant Martinjak am Opernring in Wien und im neueröffneten Kitzbühel Country Club in Reith. In der Nähe von London soll Rockwood, ein Zentrum für die Präsentation österreichischer Spitzenprodukte, Ende des Jahres eröffnet werden. „Wir sind vielfach vernetzt“, sagt Peter Daniel von Stuben 21, „Stadt und Land, Vergangenheit und Zukunft, Mensch und Natur rücken zusammen.“ Weil Stuben 21 Tierschutz- und Sozialprojekte von Schimpansenforscherin Jane Goodall in Afrika unterstützt, wurden im Möbeldepot für Werbezwecke Repräsentanten der menschlichen Vorfahren beim Schachspiel am modern interpretierten Stubentisch ins Bild gesetzt. Dort, wo der anregende und zugleich beruhigende Zirbenduft den neuen Stubenhockern in die Nase steigt.
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