Glückliche Hühner helfen psychisch Kranken
Aufregung im Hühnerstall, die Fahrt geht weiter. 225 "Lohmann braun classic" haben sich gackernd ins Innere des Wagens zurückgezogen. Etwa alle zwei Wochen übersiedeln die Legehennen und ihre Hähne von einer grünen Wiese zur nächsten. Vier Männer mit chronisch psychischer Erkrankung sorgen dafür, dass der Umzug reibungslos klappt. Die Herren über die Hühner kümmern sich täglich um das liebe Federvieh. Sie misten den riesigen Anhänger – ausgestattet mit verschiedenen Lebensbereichen, Klappen und Türen – aus, sie sammeln die Eier ein und bedienen die Eiersortiermaschine. Tiere als Therapie. Auf die etwas andere Art.
Die Riesenhof-Gärtnerei der gemeinnützigen BruderhausDiakonie in Baden-Württemberg hat rechtzeitig vor Ostern ihr zweites Hühnermobil in Betrieb genommen. Der Stall mit wechselndem Standort macht die Bio-Hühner glücklich. Und gibt psychisch kranken Menschen einen Arbeitsplatz.
Bio-Eier
"Alle zwei Wochen setzen wir den Stall um", erklärt Andreas Gronmaier, Leiter der Riesenhof-Gärtnerei. Das gilt für Schönwetter-Zeiten. Im Winter oder bei Dauerregen fahren die Hühner sogar wöchentlich an einen anderen Ort. Die Gesamtfläche, die beiden Mobilen theoretisch zur Verfügung steht, beträgt knapp 50 Hektar.
Vorteile
Das Nomadentum wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Tiere aus: "Wir haben weniger Krankheiten als in der stationären Freilandhaltung", sagt Gronmaier. Weiter Vorteile für Fauna und Flora: Die Hühner haben stets frisches Futter. Und die Grasnarbe auf dem Auslaufgelände wird nicht zerstört. Wiese bleibt Wiese, in 14 Tagen können selbst 500 Hühnerbeine nicht allzu viel anrichten.
Derart im Glück, legen die braunen Bewohnerinnen des Hühnermobils rund 200 braune Eier pro Tag. Die werden auf den Wochenmärkten in Ravensburg und Weingarten verkauft.
Therapie
Das Hühnermobil ermöglicht nicht nur artgerechte Tierhaltung. Es trägt auch etwas zum Glück von Menschen bei, die aus der Bahn geworfen wurden: Für vier Werkstattbeschäftigte mit psychischen Erkrankung sind die Hühner Lebensinhalt. "Die Beschäftigung in unserer Bio-Landwirtschaft ist ein ganz toller und abwechslungsreicher Arbeitsplatz", hält Gronmaier fest: Die Männer, die landwirtschaftliche Erfahrungen mitbringen, kümmern sich "sehr verantwortungsvoll und selbstständig" um die Hühner.
Dass die Auseinandersetzung mit Tieren Menschen in Ausnahmesituationen helfen kann, ist wissenschaftlich längst belegt. Es müssen nicht immer Therapiehunde oder -Pferde sein. Offensichtlich tun auch Vögel gut. "Die Patienten können sich in ihrer Arbeit mit einbringen, haben eine Identifikation mit ihrer Aufgabe, mit der Natur und natürlich mit den Hühnern und den erzeugten Eiern", sagt Gronmaier in Bezug auf die Hühnerhalter.
Tagesstruktur
"Die Notwendigkeit, sich um die Tiere kümmern zu müssen, übt einen elementaren und sofort nachvollziehbaren Reiz aus", bestätigt auch Michael Ziegelmayer vom Berufsverband Deutscher Psychologen: "Man wird gebraucht, man hat Verantwortung. Es bedarf keiner komplizierten Vermittlung oder guter Argumente, die Notwendigkeit ist unmittelbar einsichtig." Wichtig sei auch, die Erkrankten an eine Tagesstruktur heranzuführen und sie in einen guten Sozialkontext einzubinden. Ziegelmayer weiter: "Das Wissen, dass einer auf den anderen angewiesen ist, hat einen unmittelbaren Aufforderungscharakter ganz im Gegensatz zu abstrakten Reizen, bei denen es ums reine Geldverdienen geht oder darum, dass eine Maschine bedient werden soll."
Erfolg
Bei der Rehabilitation von psychisch Kranken sind heute keine Patentrezepte mehr gefragt. Die BruderhausDiakonie hat mit den beiden Hühnermobilen eine maßgeschneiderte Lösung für Betroffene gefunden. Mit Gewinnern auf allen Seiten. Frohe Ostern!
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