Der Wert von Wald und Wiese

Moore: Wasser- und Kohlendioxid-Speicher sind Dienstleistungen dieses Feuchtlebensraums
Eine neue Studie der Österreichischen Bundesforste soll den Geld-Wert von Wäldern, Wiesen und Flüssen erfassen.

Dieses eine Mal hatte der Duden nicht recht, meint Georg Erlacher: Als er vor einigen Jahren in einer alten Ausgabe des Wörterbuchs blätterte, fand der Forstmann unter dem Stichwort "Wert" eine Liste von Dingen, die keinen Wert besitzen. Eines davon war Wasser. Was dem Chef der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) heute noch sauer aufstößt, denn Wasser ist zwar ein Gut, das von der Natur kostenlos und scheinbar unbegrenzt zur Verfügung gestellt wird, aber dennoch von unschätzbarem Wert ist. "Dieser Wert der sogenannten ,Natur-Dienstleistungen‘ wird uns immer erst dann bewusst, wenn das, was aus der Wasserleitung kommt, nicht mehr höchsten Ansprüchen genügt. Dann ist man auf einmal bereit, einen höheren Preise zu zahlen."

Eine Studie, die die Bundesforste gemeinsam mit dem Department für Raumplanung durchführen, wird auf der gesamten ÖBf-Fläche, das sind rund 860.000 Hektar, in einem ersten Schritt fünf Leistungen nämlich Wasserversorgung, Klimaregulierung, Erholungsleistung, biologische Vielfalt und Erosionsschutz, erfassen und in Euro bewerten. Abschluss der Studie voraussichtlich 2018. Eine Fragestellung lautet: Was ist der Wald, der uns vor Lawinen schützt, eigentlich wert und wie messe ich das? Erlacher: "Was kostet es, wenn dieser Schutzwald nicht mehr intakt ist?" Die Kosten für die Pflege des Schutzwaldes können schnell auf das 100-Fache steigen, wenn man mit künstlichen Schutzbauten hart in die Natur eingreifen muss, erläutert der Forstwirt.

Solche Ersatzkosten sind ein Ansatz, wie man den kostenlos zur Verfügung gestellten Leistungen eines Ökosystems einen Wert beimessen kann.

Andere Dienstleistungen sind praktisch unsichtbar, und dennoch unheimlich wichtig. Regenwürmer und Mikroorganismen sorgen für die Neubildung des Bodens und den Aufbau der Humusschicht. Nach einem Kahlschlag können diese in 100 Jahren aufgebauten Naturgüter unter starker Sonneneinstrahlung in wenigen Jahren dahin sein. "Das ist beängstigend, da werden Werte vernichtet. Wenn man das in Euro ausdrücken könnte, wäre das eine Entscheidungsshilfe."

Wenn bedrohte Lebensräume erhalten werden sollen, braucht es tatsächlich gute Argumente, um etwa die Trockenlegung eines Moores zu unterbinden. "Die Zerstörung eines Feuchtgebietes ist eine Fehlentscheidung, aus Sicht des Biologen. Der Weideberechtigte ist anderer Meinung, für ihn steigt subjektiv der Wert, wenn das Moor drainagiert wird."

Mit ihrer wissenschaftlichen Studie wollen die ÖBf untermauern, dass Moore eben nicht nur Erschwernisse für den Bauern darstellen, sondern als Wasser- und als CO2-Speicher in Zeiten des Klimawandels von großem Nutzen sowie für die Artenvielfalt von unschätzbarem Wert sind. Erlacher: "Diese Leistungen sind ohne Moore nicht mehr in diesem Ausmaß vorhanden, und das ist die Kunst, diesen Mehrwert in Zahlen zu gießen."

Kontroverse

Unter Naturschützern gibt es Befürworter und Gegner der finanziellen Darstellung von Ökosystemen. Letztere befürchten, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird, wenn man Umweltschutz vom Markt regeln lässt. Magdalena Heuwieser, Koordinatorin der NGO "Finance & Trade Watch" setzt sich kritisch mit der "Finanzialisierung" der Natur auseinander. Sie befürchtet, "dass die Konzerne profitieren, weil sie viel Geld haben und es sich leisten können, die Natur weiter zu zerstören". Michael Proschek-Hauptmann vom Umweltdachverband meint: "Das Thema polarisiert zwar, aber eine Kostenrechnung ist etwas allgemein Verständliches."

Unterm Strich bleibt liegen, dass die Naturschützer ein weiteres Argument für ihre Tätigkeit bekommen. Selbst wenn der Natur-Wert einer Feuchtwiese monetär niedriger zu bewerten ist, als die ökonomischen Perspektiven eines Golfplatzes, bleibt immer noch der emotionale Wert. Oder wollen Sie in einer Welt ohne Moorfrosch, Ringelnatter und Sumpf-Siegwurz leben?

Der Wert von Wald und Wiese

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