Der letzte Schäfer vom Wienerwald
Nirgendwo in Österreich ist der Wanderer dem Mittelmeer näher als an der Thermenlinie. Die Namen der hier vorkommenden südländischen Tier- und Pflanzenarten sprechen für sich: Spanische Fahne (ein Schmetterling), Italienische Schönschrecke, Adria-Riemenzunge (eine seltene Orchidee), Kantabrien-Winde, Dalmatien-Lotwurz.
Diese Juwelen der Fauna und Flora gibt es hier noch, weil seit 25 Jahren ein zäher Mann mit Brille seine Herde Krainer Steinschafe auftreibt. Erich Frank aus Wopfing ist der Letzte seiner Art, " aber Gott sei Dank merke ich nichts davon".
Seine Herde aus 80 Tieren beweidet im Auftrag des Naturschutzes die Abhänge des Wienerwaldes von Perchtoldsdorf bis Pfaffstätten und das militärische Sperrgebiet Großmittel im Steinfeld. Sie halten die überall aufkommenden Gehölze zurück, zertreten den Grasfilz und legen den Boden stellenweise bis auf das Muttergestein frei. Manche Stellen werden bewusst "scharf beweidet", erläutert Frank – die wüstenähnlichen Bedingungen sind die ideale Umwelt für mediterrane Kräuter und Insekten.
Zäune
Der Zaun, den Frank Tag für Tag umsteckt, ist mehr eine psychologische als eine echte Barriere. Daher sind Familien mit Kindern, die Schafe füttern und die Tiere zur Absperrung locken, Franks größte Sorge. Nicht an den einsamen Abhängen der Thermenlinie – früher Thermenalpen genannt wegen ihrer schroffen Felsplätze. Aber auf der stark frequentierten Perchtoldsdorfer Heide ist das Aufeinandertreffen unvermeidlich.
"Ich schreib’ extra nicht ,Füttern verboten‘ auf meine Schilder, weil das bedeutet für den gelernten Österreicher, ein bisschen füttern darf man schon", sagt Frank, der bei Naturschützern höchstes Ansehen genießt. "Ohne ihn hätten wir einen schweren Stand", sagt Irene Drozdowski vom Biosphärenpark Wienerwald. "Theoretisch könnte man auch Ziegen auftreiben, die schälen die Gehölze und drängen Felsenbirnen und andere Gebüsche viel effizienter zurück als Schafe, "aber finden Sie einmal einen Hirten in unserer Gegend. Aussichtslos", sagt Erich Frank, der letzte Mohikaner unter den Haltern bei Wien.
Vorlieben
Der Rückgang der traditionellen Landwirtschaft hat die Menschen die Besonderheiten von Schafen vergessen lassen. Wer weiß, dass jedes Tier seine Lieblingskräuter hat, die es zuerst frisst. Dass Schafe entgegen ihres Rufes als Vegetarier Insekten vertilgen. Dass sie im Freiland leise sind – kein blödes Blöken ist zu hören. Dass Krainer Steinschafe einer bedrohten genetischen Rasse angehören, die Thymian, Oregano und Salbei zuerst frisst und im Winter nur Heu bekommt? Dementsprechend langsam wachsen die Tiere. "Vom Fleischverkauf könnte ich nicht leben, ich brauche den Vertragsnaturschutz". Und der ihn. Gutes Geschäft.
- Die Milch: Die alte Rasse erreicht 234 kg Milchleistung.
- Das Fleisch: ist schön marmoriert und feinfasrig. Kenner schätzen Koteletts vom Hals.
- Die Wolle: ist eher kratzig.
- Der Preis: 250Eurokostet ein Krainer Steinschaf.
- Der Bestand: In Österreich gibt es noch ca. 3000 Tiere (von ca. 350.000 Schafe insgesamt in Österreich).
Schaf und Mensch sind seit 10.000 Jahren ein Gespann. Zunächst wurden Fleisch, Blut und Haut, später die Wolle genutzt. Ein Sprichwort aus alter Zeit lautet: „Biene, Fisch und Schaf verdienen dem Herrn das Geld im Schlaf.“ Das Krainer Steinschaf hat zwar längst nicht mehr die Bedeutung von einst, aber als Landschaftspfleger erfreut es sich heute großer Beliebtheit.
Die österreichischen Naturparke nutzen die Tiere, um artenreiche Wiesen offen zu halten. Sie haben 2015 zum "Jahr des Schafes" gemacht. Der Verbuschung von Streuobstwiesen wirken die Naturschützer mit Schafen entgegen. Und auch die schwierige Pflege von steppenartigen Trockenrasen im Naturpark Leiser Berge, NÖ, wird zunehmend von Schafen übernommen. Der südburgenländische Naturpark in der Weinidylle hat eine „Schafaktie“ aufgelegt, die 55 Euro kostet. Als Gegenleistung bekommt man drei Jahre Bio-Weidelammfleisch (Infos unter: www.berta-naturschutz.at).
Schafprodukte erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Immer mehr Konsumenten greifen neben Lammfleisch und Schafkäse auch verstärkt zu Kosmetika aus Schafmilch, wie zum Beispiel Schafmilchseife.
Nicht ganz Schritt mit dem Interesse der Konsumenten hält derzeit das Angebot. Dabei stellt die Schafhaltung eine interessante und auch wirtschaftlich überlegenswerte Alternative zur Rinderhaltung dar. Das dafür nötige Wissen liefert das Buch „Schafhaltung heute“.
Der Autor Ferdinand Ringdorfer ist am Institut für Nutztierforschung am Lehr- und Forschungszentrum für Landwirtschaft in Raumberg-Gumpenstein für die Sparte Schaf- und Ziegenhaltung zuständig.
Buch
Ringdorfer/Deutz/Gasteiner: "Schafhaltung heute. Rassen, Zucht, Vermarktung" Verlag Stocker, 256 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Hardcover, 29,90 €.
Kommentare