Der Eismann litt unter Zahnfleischentzündung
Seine Arbeit erinnert an die der CSI-Detektive. Thomas Rattei, Bioinformatiker der Uni Wien, fahndet nach Mikroorganismen in Mumien, alten Knochen oder lebenden Menschen. Besonders die Bakterien, Pilze und andere mikroskopisch kleine Keime, die sich den menschlichen Körper als Lebensraum ausgesucht haben, interessieren ihn. Wie setzen sich die Lebensgemeinschaften im Menschen zusammen, was bewirken sie und welche ihrer Mitglieder machen den Gastgeber krank? Diesen Fragen geht er mit modernen Methoden der Erbgutanalyse nach. Die Ergebnisse erlauben einen Einblick in die Krankenakte eines Menschen, so auch bei der berühmten Mumie vom Hauslabjoch, genannt "Ötzi".
Gemeinsam mit Frank Maixner und Albert Zink vom EURAC-Institut für Mumien und den Iceman in Bozen (Italien) ist Rattei im Körper von "Ötzi" auf Spurensuche gegangen. Das Erbgut, das 2012 komplett sequenziert wurde und aus einer winzigen Probe aus seinem Hüftknochen stammt, enthält nämlich nicht nur Erbgut von Ötzi selbst, sondern auch das seiner mikrobiellen Mitbewohner. "Bei solchen Studien sequenziert man zwangsläufig auch DNA von Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen mit", sagt Rattei.
Clostridien, Borreliose und Paradontose
Während nach wie vor nicht klar ist, ob der Eismann unter einer Borreliose-Infektion litt oder nicht, sind die Forscher auf große Mengen eines Bakteriums gestoßen, das als Paradontose-Erreger berüchtigt ist. Treponema denticola löst Entzündungen aus, die den Halteapparat der Zähne zerstören und damit weltweit die wichtigste Ursache für Zahnausfall sind. Das passt sehr gut zu anderen Ergebnissen, die dem Iceman massive Zahnprobleme bescheinigen. Doch was machen Mundbakterien im Hüftknochen der Mumie, aus dem die Probe stammt? "Das hat uns auch gewundert", sagt Rattei. Aber offenbar war es dem Erreger gelungen, in die Blutbahn seines Opfers zu gelangen und so bis in diesen gut durchbluteten Knochen vorzudringen. Weitere Untersuchungen sollen einen Zusammenhang zwischen der Ernährungsweise von Ötzi, der Getreidebrei zu sich genommen hat, und seinen Zahnproblemen herausarbeiten.
Seit Wanderer 1991 in den Ötztaler Alpen in Südtirol die Gletschermumie entdeckten, sind Scharen von Wissenschaftlern fasziniert. Obwohl der Mann aus dem Eis schon vor rund 5300 Jahren starb, hat sich sein gefriergetrockneter Körper außergewöhnlich gut erhalten. Eine einmalige Chance, mehr über Ötzis Zeitgenossen und letztlich auch über uns selbst herauszufinden. Ötzis DNA ähnelt übrigens am ehesten der von heutigen Menschen, die auf Korsika oder Sardinien leben.
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