Sprechen Sie Schimpansisch?

Unsere nächsten Verwandten kommunizieren mit Gesten – ganz bewusst.

Wenn Ihnen beim nächsten Tierpark-Besuch ein Schimpanse mit großen Augen entgegenblickt und währenddessen mit den Zähnen Streifen von einem Blatt zupft, dürfen Sie sich ruhig geschmeichelt fühlen. Mit diesem Verhalten signalisiert der Menschenaffe nämlich Gefallen an seinem Gegenüber und fordert es zum Flirten auf.

Aus dieser und 35 anderen Gesten haben Forscher der University of St. Andrews (Schottland) nun ein "Schimpansen-Wörterbuch" erstellt. Die nächsten Verwandten des Menschen können zwar nicht sprechen, doch jetzt weiß man, dass sie anhand dieser Gesten ganz bewusst miteinander kommunizieren, erklärt Primatologe Richard Byrne, Co-Autor der Studie, im Gespräch mit dem KURIER. "Schimpansen wählen ihre Gesten sorgfältig. Wenn ihr ‚Publikum‘ nicht herschaut, verwenden sie Körperkontakt oder laute Gesten. Wenn die Zuhörer herschauen, sind es stille, rein visuelle Gesten."

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Schimpansenmädchen Amelie
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CHIMPANZEE
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Doppeldeutigkeit

18 Monate lang beobachtete Byrne mit seiner Kollegin Catherine Hobaiter mehr als 80 wilde Schimpansen im ugandischen Regenwald. Das Forscher-Team analysierte 4500 Situationen. Schließlich filterten sie 36 Gesten heraus und bestimmten deren Bedeutungen – ein Durchbruch in der Schimpansen-Forschung. "Wir wissen seit 30 Jahren, dass Schimpansen mit Händen und Füßen kommunizieren. Es wurde aber nie untersucht, was sie damit sagen wollen", berichtet Byrne. Wenn ein Schimpanse den Arm hebt, befiehlt er beispielsweise: "Gib mir das!", stampft er mit beiden Füßen, heißt das auf Schimpansisch: "Spielen wir!".

Manche Gesten haben mehrere Bedeutungen, stellten die schottischen Wissenschaftler fest. Byrne: "Die Reaktionen auf eine Geste stellten den ‚Signalgeber‘ nicht immer gleichermaßen zufrieden. Daraus schlossen wir, dass diese Geste mehr als eine Bedeutung hat." Byrne verglich dies mit dem englischen Wort "bark", das sowohl "Baumrinde" als auch "bellen" bedeutet. Das nächste Ziel sei es, so Byrne, herauszufinden, warum es für bestimmte Gesten mehr als eine Bedeutung gibt. Oder, ob leichte Abweichungen in der Ausführung der Geste bestimmen, welche Botschaft gemeint ist.

Reden ausgeschlossen

Mit den Studienergebnissen erhoffen sich die Forscher nun auch Rückschlüsse auf die Evolution des Menschen. "So können wir vielleicht herausfinden, wie die Kluft zur menschlichen Sprache überbrückt wurde." Dass sich Schimpansen eines Tages mit uns unterhalten könnten, schließt Byrne aus. "Manche sind mit Menschen aufgewachsen und haben trotzdem nie neue Geräusche produziert. Ich glaube nicht, dass Schimpansen jemals sprechen werden. Aber jetzt wissen wir, dass sie unseren Fähigkeiten noch näher sind als angenommen."

Manchmal sagt eine Geste – wie etwa das Abreißen der Blätterstreifen – ja auch mehr als 1000 gesprochene Worte.

Sprechen Sie Schimpansisch?

Nicht nur Schimpansen, auch Gorillas kommunizieren vielfältig. Das ergab eine Studie von Wissenschaftlern der schottischen Universität Stirling, die in Zentralafrika 13 Gorillas – darunter ein männlicher Anführer – beobachtet hatten.

Das Ergebnis: Gorilla-Männchen verständigen sich mit ihren Artgenossen nicht nur über Laute und Gesten, sondern auch über den Ausstoß von Duftstoffen. Der markante Geruch des Anführers war etwa dann zu riechen, wenn Gefahr drohte oder sich die Mutter des jüngsten Gruppen-Mitglieds nicht in direkter Nähe des Chefs aufhielt. Womöglich diene die Duft-Sprache in den dichten Urwäldern auch der Orientierung.

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