Claudia Stöckl über den Therapie-Effekt ihrer Interviews

Claudia Stöckl über den Therapie-Effekt ihrer Interviews
In ihrem neuen Buch sucht die Radio-Moderatorin Antworten auf die großen Fragen des Lebens.

Prominente schwärmen regelmäßig von der therapeutischen Wirkung ihrer Interviews – doch auch die Moderatorin findet in den Weisheiten ihrer Gäste immer wieder Inspiration, wie sie sagt. Die klügsten Aussagen von Niki Lauda bis Iris Berben zu den großen Lebensthemen – Liebe, Erfolg, Glaube, Scheitern – hat Claudia Stöckl nun in einem Buch gesammelt. Mit dem KURIER sprach sie über den Wert der Empathie, Wege zum Glück und verriet, welche Fragen sie noch an das Leben hat.

KURIER: Welche Gäste haben Ihnen zuletzt geholfen, Ihr Leben besser zu verstehen?

Claudia Stöckl: Ich hatte kürzlich meinen Ö3-Kollegen Robert Kratky zu Besuch, der erzählt hat, wie viel Raum der Beruf in seinem Leben einnimmt. Da habe ich gemerkt, dass es bei mir sehr ähnlich ist. Um die Leben der Gäste zu begreifen, muss man sehr ins Detail gehen, ihre Bücher lesen, mit Menschen telefonieren, die sie gut kennen. Auch ein Zitat von Richard David Precht ist hängen geblieben: Er hat gesagt, Glück ist eine Aneinanderreihung von glücklichen Momenten; man darf  nicht erwarten, dauerhaft glücklich zu sein, es geht darum, erfüllt zu sein. Wenn ein Gast so etwas sagt, überprüfe ich, ob das bei mir auch so ist. Mein Leben ist erfüllt, ich mache die Sendung  mit Hingabe und habe mein Hilfsprojekt in Kalkutta, das mich täglich beschäftigt.

Was zeichnet einen guten Gesprächspartner aus?

Ich sage immer: Ein guter Gesprächspartner lässt sich darauf ein, mit mir durchs Leben zu gehen. Natürlich weiß ich, dass es für jeden Bereiche gibt, die er nicht öffentlich besprechen will. Journalisten werden oft mit so einer Distanz betrachtet, als ob sie eine Gefahr wären. Wenn man einander auf Augenhöhe begegnet, wenn man eine gewisse Offenheit und Selbstreflektiertheit an den Tag legt, dann ist das eine Grundlage für ein gutes Gespräch.

Claudia Stöckl über den Therapie-Effekt ihrer Interviews

Ich nehme an, Empathie ist ein Schlüsselwort für das Gelingen Ihrer Interviews. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass uns diese abhanden kommt?

Natürlich sagt man, dass die Menschen jetzt eher auf ihr eigenes Wohl schauen, dass gerade im Zuge der Flüchtlingskrise die Angst da ist, dass ihnen zu viel weggenommen wird. Andererseits habe ich so viel mit Menschen zu tun, die bereit sind, etwas für andere zu geben. Wir haben bei ZUKI viele freiwillige Helfer und ich bin immer sehr berührt, wie sie in diese fremde Welt eintauchen und mithelfen. Ausnahmslos jeder Spitzenpolitiker, den ich interviewt habe, hat nach dem Gespräch zu mir gesagt, so, jetzt erzählen Sie einmal von Ihrer Arbeit in Kalkutta. Nein – ich würde nicht generell sagen, dass die Empathie weniger wird.

Kann man Empathie lernen?

Ich glaube schon. Es ist nicht so schwierig: Man muss sich einfach auf den anderen einlassen und seine eigenen Befindlichkeiten einmal hinten anreihen.

Interviews mit Prominenten sind oft eine Gratwanderung. Haben Sie je eine Frage bereut?

(überlegt lange) Mit Manfred Deix wollte ich über die Erotik in Langzeit-Beziehungen reden. Er hat mir dann gesagt, nichts ist so langweilig, wie über Sex zu sprechen. Da habe ich mir gedacht, diese Frage muss eigentlich wirklich nicht sein.

Durch die Interviews mit Prominenten wurden Sie selbst zu einer öffentlichen Person. Wie schwer fällt es Ihnen, mit Journalisten über Privates und Gefühle zu sprechen?

Über Privates spreche ich eigentlich nicht. Ich sehe das wie Barbara Schöneberger, die ja nie etwas über ihren Mann sagt: Man lebt ruhiger, wenn diese Dinge privat bleiben. Aber über die Gefühle, die ich im Leben habe, von Sorgen über Glück, spreche ich schon.

Was macht Ihnen derzeit Sorgen?

Natürlich beschäftigt mich die Flüchtlingsfrage und wie man damit richtig umgeht. Es ist sicher eine der großen Herausforderungen für die Politik, nicht nur die Festung Europa zu kreieren, sondern die, die aus Kriegsländern kommen und Hilfe brauchen, aufzunehmen.

Verletzt es Sie, dass das Wort „Gutmensch“ zuletzt von rechten Parteien instrumentalisiert wurde?

Ich verstehe nicht, warum Nächstenliebe oft so abgewertet wird. Gutmensch heißt ja nichts anderes als guter Mensch – das ist eigentlich etwas, das man fördern sollte, statt alles als linkslinkes Gedankengut abzutun oder diese Menschen als Sozialträumer zu bezeichnen. Ich glaube, dass man mit Engagement viel bewirken kann.

Welche Frage würden Sie dem Leben noch stellen, wenn Sie könnten?

Ich würde gerne wissen, was wir erfahren sollten, um am Ende zu sagen, das war ein erfülltes Leben. Und eine Lebensfrage wäre sicher, warum es so viel Leid auf der Welt gibt. Wenn ich in Kalkutta bin, weiß ich, wir können nur einem Bruchteil der Kinder helfen, die unsere Hilfe brauchen würden, und da verzweifelt man oft.

Dompfarrer Toni Faber ist ein Vertrauter von Ihnen. Wie beantwortet er diese Frage?

Er sagt, dass man nur in der Polarität das Leben begreifen kann. Würde es das Leid nicht geben, könnten wir das Leben nicht so erfahren. Und dass uns das auch in die Verantwortung nimmt, dieses Leid zu mindern.

Der Schlüssel zum Glück ist oft Thema in der Sendung. Haben Sie ihn gefunden?

Der Benediktinermönch David Steindl-Rast hat bei mir gesagt, dankbare Menschen sind glückliche Menschen, und so sehe ich das auch. Als mein Vater vor neun Jahren auf der Intensivstation lag und es dann doch wieder bergauf ging, war da eine große Dankbarkeit. So ein Erlebnis zeigt einem, wie nahe der Horizont ist. Ich will nichts bedauern, das ist auch etwas, das ich oft in der Sendung höre. Als Profil-Chefredakteur Christian Rainer gesagt hat, dass er mit seinen Eltern zu wenige Gespräche geführt hat, habe ich mit meinem Vater danach lange über seine Erlebnisse während des Kriegs gesprochen. Deshalb war es mir auch so wichtig, das Buch meinen Eltern zu widmen. Sie sollen wissen, wie viel Liebe da ist.

Claudia Stöckl über den Therapie-Effekt ihrer Interviews

„Interview mit dem Leben“ Mit einem Vorwort von Michael Niavarani. Ecowin Verlag. 232 Seiten. 20,00 Euro.

Zur Person

Kindheit

Claudia Stöckl wurde 1966 in Wien geboren. Sie hat drei  Schwestern (eine ist die TV-Moderatorin Barbara, eine die Fotografin Suzy Stöckl) und einen Bruder.

Karriere
Nach zwei Jahren Publizistik-Studium ging sie nach Paris, um als Fotomodell zu arbeiten. 1992 heuerte sie bei Ö3 an,  seit 1997 moderiert sie jeden Sonntag „Frühstück bei mir“.

Karitatives Engagement
Stöckl ist ehrenamtliche Obfrau des Vereins „ZUKI“, der indischen Straßenkindern Schulbildung ermöglicht. www.zuki-zukunftfuerkinder.at

Aktuelles in Zahlen

1050 Prominente waren seit ’97 in „ Frühstück bei mir“ zu Gast. Als Erster Viktor Klima, zuletzt Barbara Schöneberger.

1 Million Menschen hören die Sendung jeden Sonntagvormittag auf Ö3.

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