Buddhas in Afghanistan: Aufbauen oder nicht?
von S. Mauthner-Weber (Text), C. breineder (Grafik)Schon bald nach der Katastrophe wühlten deutsche Forscher in Afghanistan im Dreck, den die Taliban hinterlassen hatten. Innerhalb von 25 Tagen hatten Terroristen im Jahr 2001 die größten Buddhas der Welt in die Luft gejagt und dabei eine Staubwolke höher als der Hindukusch produziert. Entgegen anfänglicher Meldungen von der restlosen Zerstörung der beiden Skulpturen stand bald fest: Der Großteil der Figuren war in Fragmenten erhalten. Das rief Wissenschaftler auf den Plan und sollte Basis für das Wiedererstehen der Buddhas von Bamiyan sein.
Jetzt gehen die Überlegungen in die nächste Runde, wie Masanori Nagaoka, UNESCO-Experte aus Kabul, dieser Tage anlässlich des 6. Palmyra-Gesprächs (initiiert von ICOM, dem internationalen Museumsverein) in der Wiener Akademie der Wissenschaften berichtete. Insgesamt 40 Universitäten hätten darüber nachgedacht, was mit den zerstörten Buddhas und dem Weltkulturerbe passieren solle. „Daraus sind neun Ideen für Bamiyan entstanden“, sagt Nagaoka im Gespräch mit dem KURIER.
Acht Meter Schutt
An der eingangs erwähnten Idee – nur Originalmaterial für die Rekonstruktion zu verwenden – arbeitet die Universität Aachen bereits seit Jahren: Die Fragmente wurden registriert, mit Nummer versehen und im 50 Meter langen Schuppen vor der Nische des großen Buddhas gelagert. Die Wissenschaftler können jedes Fragment identifizieren und die Originallage der Steine exakt feststellen – nach Farbe und Zusammensetzung der Sedimente. Die Ausrichtung jedes Stücks größer als 20 cm lässt sich durch sein Magnetfeld ermitteln – man kann also sagen, was unten, oben, vorne, hinten war. Eine Großtat, denn der Schutt in der Nische des großen Buddhas lag acht Meter hoch.
Als die ETH Zürich eine
3-D-Rekonstruktion erstellte – übrigens auf Basis der Buddha-Bilder, die der Grazer Forscher Robert Kostka 1970 bei einer Hochgebirgstour in Afghanistan mit einer Spezialkamera gemacht hatte –, gab es erste Überlegungen, die Statuen wieder aufzubauen. 2011 lotete auch die TU München die Möglichkeiten aus. Restaurator Erwin Emmerling hält demnach einen Wiederaufbau des kleineren Buddhas für möglich. Hinsichtlich des größeren ist Emmerling skeptisch – 12 Meter Tiefe seien zu viel. So oder so gäbe es politische und praktische Hürden: Für die Konservierung der Bruchstücke müsste im Bamiyan-Tal eine kleine Fabrik gebaut oder rund 1400 Steine nach Deutschland gebracht werden.
„Viele der Ideen wurden aber fallengelassen, weil sie viele Millionen Dollar gekostet hätten“, sagt dazu die Kunsthistorikerin Deborah Klimburg-Salter, die jahrzehntelang Afghanistan bereist und dabei mitgeholfen hat, das Nationalmuseum in Kabul wieder aufzubauen. „Heute denken wir, dass die Pläne einfach realistisch sein müssen, was die Finanzen anbelangt.“
Eines steht für Nagaoka aber fest: „Die UNESCO will die Kulturlandschaft erhalten – die Höhlenmalereien, die Nischen, die Bräuche rundum“. Insbesondere mache ihm die unkontrollierte Entwicklung der Region Sorgen; Parkplätze und unzählige Lkw verschandeln mittlerweile das Weltkulturerbe, sagt er und zeigt als Beweis ein Foto.
Was genau getan werden soll, wird derzeit diskutiert. Vielleicht macht ja das Monument das Rennen, das italienische Wissenschafter vorgeschlagen haben. Oder – dafür plädieren japanische Forscher – „nichts soll in den Nischen rekonstruiert werden; eine starke Botschaft, wenn die Nischen leer bleiben“, sagt dazu Nagaoka, selbst Japaner. „Alles wird von den Leuten dort abhängen. Die Einheimischen sollen miteinbezogen werden.“ Für viele von ihnen steht und fällt aber alles mit den Steinfiguren: „Wir müssen die Buddhas wieder aufbauen, und dann werden auch die Touristen wiederkommen“, glauben sie.
Die Geschichte von Bamiyan
In den 1970er-Jahren landeten in
Bamiyan zehn, oft zwölf Maschinen täglich. Hippies rauchten ihre Joints auf den Köpfen der Statuen, während sie in den Sonnenuntergang schauten. Der Wissensstand über die weltberühmten Statuen ist aber gering: In Bamiyan trafen asiatische und abendländische Kultur aufeinander. In der Gandhara-Kunst verschmolzen hellenistische und orientalische Elemente. Man weiß, dass Alexander der Große durch Bamiyan zog, und ein gewisser Kanischkas über das weltoffene Kuschan-Reich herrschte, das hier den Buddhismus erblühen ließ.
Etwas später entstanden die beiden Buddhas, die über das Tal wachten. Mit modernen Untersuchungsmethoden ist es gelungen, ihr Alter zu bestimmen: Der Kleine wurde auf 544 bis 595 n. Chr. datiert, der Große auf 591 bis 644 n. Chr. eingegrenzt. Als Afghanistan längst muslimisch war, hielten sich die buddhistischen Mönche im abgelegenen Bamiyan noch lange. Bis heute gibt es dort mit Fresken verzierte Kult- und Wohnhöhlen, buddhistische Klosteranlagen und Festungen aus islamischer Zeit. Seit 2003 sind Kulturlandschaft und archäologische Stätten im Bamiyan-Tal daher UNESCO-Weltkulturerbe.
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