Pädagogen widersetzen sich dem "Testwahn"

Am Podium: Direktorin Isabella Zins, Elternvertreterin Sieglinde Guserl,Moderator Heiner Boberski, Ex-Direktor Günter Schmid, Essayist Egyd Gstättner und Sektionschef Kurt Nekula.
Was für und was gegen Bildungsstandards, Zentralmatura und Lesetests spricht.

Hauptsache getestet?! Machen PISA und Co unsere Kinder klüger? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Bildungsenquete des Katholischen Familienverbandes Österreichs. Thema waren also Bildungstests wie PISA, PIRLS, Lesetests, Zentralmatura und deren Rückmeldesystemen. Für Günter Schmid, ehemaliger Direktor der Karl-Popper-Schule, ist die Antwort klar: „Vom Wiegen wird die Sau nicht fetter.“ Schmid spricht sich für eine stärkere Orientierung an den Schülern statt an standardisierten Testinhalten aus: „Der Blick auf den Menschen, der hinter den Zahlen steht, muss freigehalten werden.“ Er fürchtet durch die Tests eine störende Ablenkung von den eigentlichen Aufgaben der Schule und eine Fokussierung auf standardisierte Testinhalte.

Nur für den Test lernen


Dass „learning for the test“ in der Praxis durchaus vorkommt, bestätigt auch Isabella Zins, AHS Direktorin in Mistelbach: „Man muss eben aufpassen, dass nicht jenen Fächern, die getestet werden, aufgrund eines bevorstehenden Tests der absolute Vorrang eingeräumt wird“, so die Praktikerin. „Ein dreitägiger Kunst-Workshop ist zum Beispiel genauso wichtig für die Schüler und ihre Bildung wie ein Test.“ Für die Notwendigkeit von Bildungstests spricht sich Kurt Nekula, Sektionschef im Bundesministerium für Bildung und Frauen, aus: „Testungen sind ein Mosaikstein im Prozess der Qualitätsverbesserung und zeigen uns, wo einzelne Standorte stehen und wo sie Verbesserungsbedarf haben.“ Die Daten müssten aber im richtigen Kontext und sehr vorsichtig analysiert werden“, so Nekula. Eine grassierende „Testeritis“, wie von einigen Enquete-Teilnehmern festgestellt wurde, ortet er nicht: „Im Jahr 2015 sind lediglich die Bildungsstandards in der vierten Klasse Volksschule und die PISA Testung im Bereich Mathematik vorgesehen“, gibt er einen Ausblick auf das kommende Jahr. Eine Veröffentlichung der detaillierten Ergebnisse der einzelnen Schulen lehnt der Sektionschef ab, dadurch würde ein unnötiger Konkurrenzkampf entstehen, der kontraproduktiv wäre und nicht die Rahmenbedingungen bei der Beurteilung miteinbeziehen würde, so seine Befürchtung.

Rechnen statt ankreuzen

Der Essayist und Schriftsteller Egyd Gstättner sieht die Bildungstests sehr kritisch: „Ich bin für Rechnen in Mathematikschularbeiten und dagegen, dass ein Deutschprofessor vor lauter Vergleichbarkeit und Standardisierung völlig identische Deutschmaturaarbeiten absammelt.“, Gstättner fordert mehr Individualität und eigenständiges Denken in den Schulkassen. Aus Sicht der Eltern beteiligte sich Sieglinde Guserl, langjährige Elternvertreterin und Expertin des Katholischen Familienverbandes, an der anschließenden Podiumsdiskussion: „Nach dem „teaching for the test“ und erfolgter Testung findet nach der Veröffentlichung der Ergebnisse die große mediale Empörung statt, gefolgt von gegenseitigen Schuldzuweisungen, um dann wieder in den alten Trott zurückzufallen.“ Guserl fordert einen sparsameren Umgang mit Testungen und die dadurch frei werdenden Geldmittel den Schülern zu Gute kommen zu lassen.

Ein Anliegen mit dem sie auf offene Ohren stößt: Der Ruf nach mehr Unterstützungspersonal in den Schulen zieht sich in der anschließenden Publikumsdiskussion wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Dafür spricht sich auch Schmid aus, der abschließend resümiert: „Erst wenn wir mit Pisa wieder jenen berühmten Turm assoziieren, dürfen wir hoffen, auf einem guten Weg zu sein“.

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