Die Jagdlust spaziert mit

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Beutetrieb: Hunde verspüren beim Ausspähen und Hetzen Glücksgefühle. Das Ausleben des Instinkts kann umgelenkt und unterdrückt werden

Afghane bis Spaniel, Beagle, Dackel, Setter und Retriever – die Liste der Jagdhunderassen ist lang. Fährte Aufnehmen, Fixieren und Hetzen liegen in der Natur der Wolf-Nachfahren. Züchter nützen diese Instinkte immer noch. Doch auch Hütehunde wie Border Collie oder Schäferhund und sogar Schoßhündchen wie Chihuahua, Mops und Pudel können dem Beutetrieb nicht widerstehen. Selbst für aufmerksame Haustierbesitzer ist das angeborene Verhalten ihres Vierbeiners mitunter eine große Herausforderung. Der Spaziergang wird zum Spießrutenlauf.
„Alle Hunde jagen; die einen mehr, die anderen weniger. Es ist trotz Domestikation in ihrer Erbsubstanz verankert“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn erklärt, warum Hunde schon bei bestimmten Gerüchen und Geräuschen Glücksgefühle verspüren. Und sie weiß, mit welchen Maßnahmen der Jagdlust Grenzen gesetzt werden können.
BelohnungJagen gehört zum Hundeleben. Wölfe und verwilderte Hunde verschaffen sich auf diesem Weg Nahrung. Die Überlebensstrategie funktioniert selbstbelohnend: Schon ein Element aus dem komplexen Jagdverhalten, das mit Suchen beginnt und im besten Fall mit Erlegen endet, verspricht Genugtuung. Da nicht jeder Jagdausflug Beute bringt, Misserfolge auf Dauer aber demotivieren, würden erfolglose Jäger bald aufgeben und verhungern. Die Natur trickst sie also aus und sorgt dafür, dass allein das plötzliche Weglaufen beflügelt. Oder das Aufspüren als Belohnung empfunden wird. Oder das Nachjagen mit Lust verbunden ist. Dieses Lern-Prinzip liegt den Vierbeinern in den Genen, obwohl sie ihr Futter längst in der Schüssel serviert bekommen.
„Hundebesitzer, die die vier Elemente des Jagdverhaltens verstehen, verstehen auch ihren Vierbeiner besser“, ist Schratter überzeugt:
Element 1 Hunde reagieren blitzschnell auf Geräusche, die Beute verheißen. Sie bemerken rasche Bewegungen und verfolgen Spuren durch Schnüffeln. „Die Aufmerksamkeit ist noch umlenkbar. Spiele und Leckerlis können den Jagdinstinkt befriedigen“, erklärt der KURIER-Tiercoach. Der Vierbeiner hört zu diesem Zeitpunkt noch auf seinen Namen oder folgt bei Pfiffen. Gehorsam muss belohnt werden, Streicheleinheiten und Leckerbissen tun gute Dienste.
Element 2 Erstarren und Fixieren zählen zum typischen Verhalten. Der Vierbeiner schätzt ab, ob Nachjagen erfolgreich sein kann. „Spielzeug und Befehle halten den Vierbeiner zurück“, erklärt die Expertin. Bälle können Beute sein, mit dem Ranghöheren im Rudel wird geteilt. (Vorsicht: Nicht alle Jagdspiele sind empfehlenswert, Fangen- und Nachlaufspiele führen immer wieder zu Unfällen – vor allem mit Kindern.) Körpersignale zeigen dem Hund an, dass er zum Besitzer zurück kehren soll. Handzeichen funktionieren auch, wenn der Vierbeiner schon weiter entfernt ist. Stupst er mit der Schnauze die Hand des Besitzers, ist ein Leckerli fällig. Auch das Hörsignal „Hier“ kann eingesetzt werden.
Element 3 Bei der Hetze entwickelt der Hund den Tunnelblick. Er sieht und hört nur noch den Fasan, den Hasen – oder den Jogger oder Radfahrer. „Das freudige Gefühl ist in diesem Moment nicht mehr zu stoppen“, sagt Schratter. Gute Erziehung schützt vor der Situation.
Element 4 Nach der möglichst schnellen Annäherung stehen Angreifen, Packen und Töten auf dem Programm. „So weit darf man es nicht kommen lassen“, sagt der KURIER-Tiercoach. Hunde legen das Jagdverhalten übrigens unabhängig vom Hungergefühl an den Tag.
„Es gibt keine sichere Methode, Hunden den Jagdinstinkt abzugewöhnen. Aber man kann den Trieb kontrollieren und umleiten auf Spiel. Mit Erziehung lässt sich ein rechtzeitiger Rückzug erreichen“, fasst Schratter zusammen. Gelingt das Hund und Halter nicht, muss der Vierbeiner an der Leine spazieren.

Die Katze lässt das Mausen nicht. Die Redensart entspricht den Tatsachen. „Katzen haben den Jagdinstinkt noch mehr verinnerlicht als Hunde. Das gilt auch für Wohnungskatzen“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Sie jagen Bällen hinterher und pratzeln nach jeder Feder-Angel, Suchspiele sind für sie unwiderstehlich. Freigänger springen Mäusen nach und klettern bis zum Vogelnest.
„Man kann Katzen das Jagen nicht abgewöhnen, aber Heimtierhalter können versuchen, das Verhalten einzuschränken“, sagt die Expertin. Vielfältige Beschäftigung und reichlich Spielangebote helfen. Das alternative Ausleben des Jagdtriebes, der durch den Fang und Verzehr der Beute belohnt wird, kann die Ausflüge reduzieren, gänzlich unterdrücken lässt sich der Instinkt jedoch nicht.
„Vögel fallen Katzen vor allem in der Dämmerung zum Opfer. Da hilft es, den Vierbeiner in dieser Zeit im Haus zu lassen“, rät Schratter. Wassertränken für das Federvieh sollen zudem mit Rundumsicht platziert, Nistkästen mit Marderschutz gesichert werden.
„Glöckchen am Halsband sind abzulehnen“, erklärt der KURIER-Tiercoach. Sie sind unangenehm für die sensiblen Katzenohren, und die besonders gefährdeten Jungvögel kennen das Geräusch ohnehin nicht.
Kommen die Jäger trotz Vorkehrungen mit Beute heim, räumen Katzenhalter das Jagdgut am besten stillschweigend weg. Schimpfen bringt nichts.

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