Mit Solarenergie in 25 Tagen um die Erde

Solar Impulse 2 bei einem Testflug: Das Karbonfaser-Flugzeug ist mit mehr als 17.000 Solarzellen ausgestattet, wiegt nur rund 2.300 Kilogramm und hat eine Spannweite von 72 Metern
"Solar Impulse 2" startete heute morgen. Ziel: 35.000 Kilometer an 25 Flugtagen ohne einen Tropfen Treibstoff.

Montagfrüh war es endlich so weit sein: Um 7.12 Uhr startete die „Solar Impulse 2“ (Si2) nach mehrmaligen Verschiebungen auf einem Militärflughafen in Abu Dhabi (VAE) zum Versuch, als erstes Solarflugzeug die Erde zu umrunden. Im Rahmen der insgesamt rund fünf Monate dauernden Reise wollen die beiden Schweizer Umweltpioniere Bertrand Piccard und Andre Borschberg zwei Ozeane und vier Kontinente überqueren.

Mit Solarenergie in 25 Tagen um die Erde
epa04653340 The pilots of Solar Impulse 2, Bertrand Piccard (L) and Andre Borschberg (R) talk to media at Al Bateen Executive Airport in Abu Dhabi, UAE, 08 March 2015. The Solar Impulse 2 will start a trip around the world on 09 March 2015 from Abu Dhabi. Solar Impulse 2, the only solar single-seat airplane able to fly day and night without a drop of fuel. Swiss founders and pilots, Bertrand Piccard and Andre Borschberg, will take turns flying Solar Impulse 2 over the Arabian Sea, to India, Myanmar, China, then across the Pacific Ocean, to the United States, and over the Atlantic Ocean to Southern Europe or Northern Africa before finishing the journey by returning to the initial departure point. EPA/ALI HAIDER

Zwölf Stopps und insgesamt 25 Flugtage sind nötig, um die rund 35.000 Kilometer lange Strecke zurückzulegen. Das Solarflugzeug ist das erste, das Tag und Nacht ohne einen Tropfen Treibstoff fliegen kann. Ende Juli ist man - wenn alles klappt - wieder in Abu Dhabi retour.

Vorbild für saubere Mobilität

„Unsere Herzen schlagen schneller, wir fühlen das Fieber“, sagte Piccard, Enkel des Abenteurers Auguste Piccard, wenige Tage vor dem Start bei einem Pressegespräch. Er will mit dem Projekt dazu beitragen, dass „die alten schmutzigen Technologien verschwinden und Mobilität endlich sauber wird“. Diese Botschaft soll unter anderem bei den Zwischenlandungen verbreitet werden.

Auch privat setzt sich Piccard für Nachhaltigkeit ein: Er fahre ein Hybrid-Auto und habe durch die Adaptierung seines Hauses viel Energie eingespart. „Das zeigt, dass es nicht nur um Umweltschutz geht, sondern auch darum, Geld zu sparen“, so der Öko-Pionier, der im Flugzeug Temperaturen zwischen minus 20 und plus 30 Grad aushalten muss. Er will ein Zeichen setzen, „wie saubere Technologien den Verbrauch der natürlichen Ressourcen und unsere Abhängigkeit von fossilen Energien verringern können“.

Mehr als 17.000 Solarzellen

Dieses Zeichen ist aktuell ein einsitziges Karbonfaser-Flugzeug, das mit mehr als 17.000 Solarzellen ausgestattet ist, nur rund 2.300 Kilogramm wiegt und eine Spannweite von 72 Metern hat - es überflügelt damit einen Jumbo Jet. Untertags laden sich die 633 kg schweren Lithium-Batterien, die die vier Elektromotoren antreiben, ausreichend auf, um bis zum nächsten Sonnenaufgang weiterfliegen zu können. Das Flugzeug steigt tagsüber auf eine Höhe von rund 9.000 Metern und sinkt in der Nacht auf 1.500 Meter, um Energie zu sparen. Insgesamt arbeitet das Team seit rund zwölf Jahren auf den Start hin. Die Projektkosten betragen rund 160 Millionen US-Dollar (145 Millionen Euro).

Highlight soll ein fünf Tage und Nächte dauernder Flug über den pazifischen Ozean werden. Zwar wurde bereits im Jahr 2010 mit einem 26-stündigen Flug ohne Zwischenstopp bewiesen, dass das Flugzeug am Tag ausreichend Energie speichern kann, um nachts weiterzufliegen. Nun müssen die Piloten aber ungleich mehr leisten: Geplant sind lediglich mehrere über den Tag verteilte Nickerchen von 20 Minuten Dauer, in denen der Autopilot übernimmt. Sonst gilt es, die fünf Tage konzentriert zu bleiben. Während des Fluges müssen die Piloten den Angaben zufolge pro Tag rund zwei Kilogramm Nahrung und drei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen, um den hohen Kalorienbedarf zu decken.

"Wir konnten nicht mehr aufgeben"

Immer wieder war man mit Rückschlägen konfrontiert. Auf die Frage, ob er jemals ans Aufgeben gedacht habe, sagte Piccard: „Am Anfang hatten wir kein Geld und keine Partner. Aber wir haben eine Pressekonferenz abgehalten. Dadurch konnten wir nicht mehr zurück oder aufgeben.“ Zwar gab es Probleme, etwa im Jahr 2013, „da standen wir kurz vor dem Bankrott“. Mit Unterstützung des Internetriesen Google ging es aber doch weiter.

Nun ist geplant, über Maskat im Oman nach Indien und China bis in die USA zu fliegen. Von New York aus soll es dann über den Atlantik nach Südeuropa oder - abhängig von der Witterung - nach Nordafrika und schließlich Ende Juli/Anfang August wieder an den Persischen Golf gehen. Probleme könnte es neben den Wetterbedingungen auch mit Überfluggenehmigungen in manchen Ländern geben. Piccard zeigte sich dennoch optimistisch, was den Flug betrifft. Sollte etwas schiefgehen, sind im Pilotensitz jedenfalls ein Fallschirm sowie eine (aufblasbare) Rettungsinsel integriert.

Die Idee zu dem Projekt „Solar Impulse“ kam dem Abenteurer unmittelbar nach seiner Landung nach der ersten Nonstop-Heißluft-Ballonfahrt um die Welt im Jahr 1999. „Wir sind mit 3,7 Tonnen Treibstoff gestartet und sind mit 40 Litern gelandet - wir wären also beinahe daran gescheitert“, sagte der Schweizer. Damals schwor er sich, den nächsten Flug völlig unabhängig von Treibstoff zu absolvieren.

Er ist Psychiater, Ehrendoktor, Professor, Redner, Wissenschafter - und hat als erster Mensch die Erde in einem Ballon umrundet. Nun will Bertrand Piccard wieder um den Globus, diesmal in einem Solarflugzeug.

Mit Solarenergie in 25 Tagen um die Erde
Pilot und Pionier: Betrand Piccard
Doch das Hauptziel des Schweizer Tausendsassas ist nicht das alleinige Brechen von Rekorden. Vielmehr will Piccard Wissenschaft und Abenteuer kombinieren, saubere Technologien pushen und „die menschliche Seele erforschen“.

Die Abenteuerlust wurde Piccard wohl in die Wiege gelegt. Schon Großvater Auguste Piccard, ein Professor für Physik und ein Freund von Albert Einstein und Marie Curie, stieg 1931 mit einem eigens konstruierten Spezialballon 16.940 Meter in den Himmel, um die Stratosphäre zu erforschen. Nach der Höhe folgte die Tiefe: Mit einem selbst erfunden „Bathyscaphe“ tauchte der Professor in die tiefsten Stellen des Ozeans.

Vater Jacques Piccard war ebenso ein Draufgänger. Am 23. Jänner 1960 stieg der Schweizer zu Forschungszwecken mit dem Tauchboot Trieste in den Marianengraben auf 10.916 Meter unter den Meeresspiegel ab - ein bis heute ungebrochener Weltrekord.

Bertrand Piccard wurde am 1. März 1958 in Lausanne in der Schweiz geboren. Bereits als Jugendlicher zeigte sich, dass Bertrand seinen Ahnen um nichts nachstehen sollte. Mit 16 Jahren zählte er zu den Pionieren beim Pilotieren von Ultraleichtflugzeugen. Bald war er Europameister im Kunstflug, Höhenweltrekordhalter und überquerte als erster Mensch die Alpen im Ultraleichtflugzeug.

Erfüllung eines Jugendtraums

Seine Erfahrungen in der Luft führte Piccard zu seiner wahren Leidenschaft: der Erforschung des menschlichen Geistes in Extremsituationen. Um diese „innere Welt“ zu verstehen, studierte er Medizin und wurde Psychiater und Psychotherapeut. Das größte Abenteuer seines Lebens war bisher die Non-Stop-Umrundung der Erde in einem Ballon, die er 1999 gemeinsam mit dem Kopiloten Brian Jones geschafft hat. Mit dem Projekt „Solar Impulse 2“ könnte für ihn nun ein weiterer Jugendtraum in Erfüllung gehen.

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