Ötzi kommt nach Mistelbach

Ötzi kommt nach Mistelbach
Das Mamuz Museum Mistelbach zeigt, was bereits über die berühmteste Mumie der Welt bekannt ist.

Da steht er also: Zarte Brust- und verfilzte Kopfhaare, rissige Hände mit abgebrochenen Fingernägeln, sonnengegerbtes Gesicht mit tiefen Falten. Frozen Fritz in Lebensgröße (naja, Größe ist bei 1,60 m wohl übertrieben), schmächtig, doch drahtig und zäh, erinnert er an die Bergbauern, wie sie heute in den Alpen zu finden sind.

Die Rekonstruktion der berühmtesten Mumie ist das Highlight der Ötzi-Ausstellung, die ab heute im Mamuz Museum in Mistelbach/NÖ zu besichtigen ist. Und weil es sich um eine der beiden offiziellen Wanderausstellungen des Bozener Ötzi-Museums handelt (dort liegt das Original), hat das Ganze durchaus Hand und Fuß.

Angefertigt wurde die lebensecht wirkende Rekonstruktion des alpinen Menschen aus der Steinzeit von den niederländischen Zwillingsbrüdern Adrie und Alfons Kennis. Ötzis reloaded – mit kriminaltechnischen Methoden, rekonstruiert aus Harz, Metallstangen, Ton, Draht und Haar von schottischen Hochlandrindern.

Fundgrube

Das Bild, das sich uns jetzt bietet, ist intensiver Forschung zu verdanken.

Ötzi kommt nach Mistelbach
Rückblick auf 2010: Menschen in sterilen Kitteln mit OP-Handschuhen und Mundschutz rücken dem Toten, der seit 1998 in einer eigens für ihn gebauten Kühlkammer des Archäologiemuseums in Bozen liegt, zu Leibe. Entnehmen Proben für Erbgutanalysen.

Was man bereits weiß – etwa aus Analysen des Zahnschmelzes – wird in Mistelbach multimedial aufbereitet: Daheim war Ötzi im Eisacktal, wahrscheinlich in Feldthurns; später war er viel unterwegs. Seine letzten zehn Jahre verbrachte er auf vulkanischem Boden, vermutlich im Etsch- und Schnalstal. Eine Querfurche im Fingernagel verrät großen Stress für das Immunsystem vor dem Tod.

"Wir holten auch einen großen Fettklumpen aus dem Magen und hofften auf den ältesten Nachweis von Käse", sagt die Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums Bozen, Angelika Fleckinger. "Mittlerweile haben wir die Ergebnisse zur letzten Mahlzeit, die er etwa eine Stunde vor seinem Tod zu sich genommen hat – es handelt sich um tierisches Fett von getrocknetem Fleisch." Also kein Käse- dafür ein früher Tiroler-Speck-Nachweis.

"Jetzt wissen wir auch endlich genau, wie viele Tätowierungen Ötzi hatte", sagt Fleckinger – nämlich 61 Linien und Kreuze. Mit einer speziellen Lichtquelle entdeckten Forscher unlängst sogar ein neues, für das freie Auge unsichtbares, Tattoo am Brustkorb – übrigens kein Schmuck, sondern Folge von Behandlungen seiner Erkrankungen: Die Haut war geritzt und mit Holzkohle und Kräutern eingerieben worden, um den Schmerz zu lindern, sagt Fleckinger. "Das sind spannende Belege für das medizinische Know-how der Menschen damals, liegen sie doch auf den Haupt-Akupunktur-Linien."

Ötzi kommt nach Mistelbach
Apropos Medizin der Steinzeit: Die Erkenntnisse rund um Ötzi werden in Mistelbach durch österreichische Funde bereichert – etwa durch einen Schädel aus dem burgenländischen Zillingtal, der zu einem Zeitgenossen von Frozen Fritz gehörte. An der Schädeldecke sind deutliche Spuren einer Trepanation, einer operativen Öffnung des Schädels mit Feuerstein-Klingen, zu erkennen. Wahrscheinlich eine Entlastungs-Trepanation gegen heftige Kopfschmerzen infolge kaputter Zähne.

"Wir wollen zeigen, dass es nicht nur Ötzi gegeben hat, auch in Niederösterreich kann man anhand von Funden viel herausfinden", sagt Renate Heger vom Mamuz und zeigt auf Originale aus der Region (Mahlstein, Spinnwirteln, vertrocknetes Brot und Haselnüsse), die das Leben damals greifbar machen sollen.

Weil die Bozener Ötzis wertvolles Kupfer-Beil nicht herausrücken, zeigt man in Mistelbach einfach ein eigenes: "Das wurde bei uns in der Gegend gefunden und stammt aus derselben Zeit", sagt Heger. Der originale Ötzi muss ebenfalls in Südtirol bleiben. Mit einer Live-Webcam zur Kühlkammer wird das berühmte Mordopfer zumindest virtuell ins Mamuz geholt.

Was Besucher in der Ausstellung erwartet, sehen Sie hier:

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Ötzi Schau
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Ötzi Schau
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Ötzi Schau
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Ötzi Schau

Mord & Totschlag

Was man noch nicht weiß: Zuletzt wurden alle seine Kleidungsstücke und Ausrüstungsgegenstände nochmals unter die Lupe genommen, um zu sehen, ob sich daran noch Blutspuren finden. Genetische Untersuchungen sollen klären, ob es sich um Ötzis Blut, das von Tieren oder gar von anderen Menschen handelt. "Das wird sehr, sehr spannend", sagt Fleckinger. Zur Erinnerung: Ötzi wurde von hinten mit einem Pfeil erschossen, nachdem er in einen Kampf verwickelt war. Und hier kommen nochmals heimische Funde ins Spiel: Knochen mit Brüchen und Pfeil-Schüssen aus der Zeit von vor 5500 Jahren zeigen, dass Ötzi nicht das einzige Steinzeit-Mordopfer gewesen sein dürfte.

INFO: "Ötzi. Der Mann aus dem Eis". MAMUZ Museum Mistelbach, Bis 29. November. www.mamuz.at

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