Müllmänner mit kreativen Ideen

Kunststoffnetze und PET-Flaschen werden aus dem Meer gefischt – und wiederverwertet.

Bewusstsein beginnt ja oftmals mit Protest. Vielleicht will deshalb ein holländisches Architektenteam im pazifischen Ozean eine künstliche Insel aus angeschwemmtem Plastikmüll aus dem pazifischen Müllstrudel errichtet. Wo konkret, scheint auch schon fix: "Recycled Island" soll nordöstlich von Hawaii im Pazifik entstehen – unweit jener Stelle, wo bedingt durch Meeresströmungen und Luftmassenbewegungen der größte ozeanische Müllstrudel mit 44.000 Tonnen Plastik entstanden ist.

Das riesige Eiland soll – so der Plan – mit öffentlichen Geldern finanziert werden und bewohnbar sein. Erste Entwürfe für das futuristische Projekt hat WHIM architecture bereits veröffentlicht. Um als Bausubstanz Verwendung zu finden, muss der aus dem Ozean gefischte Abfall sortiert, gereinigt und geschreddert werden. Dann wollen die Planer das Recycling-Material erhitzen und im Lego-Stil als Kunststoff-Baumaterial zu Häusern zusammensetzen (http://www.recycledisland.com).

Das Projekt soll auch Forschungszwecken dienen und Antwort auf wichtige Fragen geben – etwa, wie man nachhaltigen Lebensraum für Menschen schaffen und gleichzeitig die Meere säubern kann.

Nahrungskette

Plastik macht weltweit Probleme. Denn zu Mikrogranulat zerriebenes Plastik-Plankton wird Jahr für Jahr von 100.000 Delfinen, Schildkröten, Walen und Haien sowie von einer Million Seevögel verschluckt. Diese Menge entspricht dem Gewicht von 132 Blauwalen. Giftige Inhaltsstoffe wie Weichmacher gelangen so über die Nahrungskette zurück zum Menschen. Zunehmend werden Menschen und Konzerne aktiv, die hier nicht mehr länger zusehen wollen. Der KURIER hat einige der spannendsten Projekte zusammengetragen – denn die holländischen Architekten sind nicht die einzigen Müllmänner mit kreativen Ideen:

Der Putzmittelhersteller Ecover bezahlt Trawlerbesitzer fürs Plastikfischen. Die erste Flasche mit einem Anteil von 10 Prozent rezykliertem Plastikmüll ist am Markt. Das Spülmittel riecht laut Ecover nach Strandflieder und Eucalyptus und erinnere an "eine frische Meeresbrise" (gesehen bei dm um 1,69 €).

Der 19-jährige Holländer Boyan Slat entwirft Filteranlagen, die er mithilfe von Spendengeldern ins Meer stellen will – Ende Juni hatte er laut Homepage 40 Prozent der Mittel für eine Pilotanlage beisammen (www.theoceancleanup.com). In 4000 m Tiefe sollen die Giganten der Meere verankert werden. Das Maul der Anlage ist laut Plan 120 weit geöffnet und so ausgerichtet, dass der Müll, der sich an zwei 50 km langen, v-förmigen Auslegern sammelt, hineintreibt. Kosten würde diese Entsorgung auf dem Meer laut Slats Berechnung 4,5 € pro Kilo Plastik, so viel wie eine Strandsäuberung.

Die Charity-Organisation "Miss Earth" plant in Südafrika den Bau von Häusern aus Meeresplastik. Hohle Kunststoff-Ziegel sollen zusammengesteckt werden. Für Stabilität sorgt ein Sandgemisch, das in die Bausteine eingefüllt wird.

Jochen Lamp vom WWF-Ostseebüro sammelt mit Meeresbiologen, Tauchern und Naturschützern jahrzehntealte Kunststoffnetze ein, die als Hindernisse an Schiffswracks oder Felsen hängengeblieben oder einfach über Bord geworfen wurden. "Anders als ihre Vorgänger aus Naturgarn verrotten die Nylon-Netze nicht." Sie verschmutzen nicht nur die Meere, sie werden für Ostsee-Fische zur tödlichen Falle.

Die nachhaltigste Forschungsidee beschäftigt sich daher mit der Frage, ob es nicht möglich wäre, den Abfall noch im Wasser zu zersetzen. Mithilfe von Mikroben zum Beispiel. Im Jahr 2011 entdeckte der US-amerikanische Meeresbiologe Tracy Mincer auf kleinen Plastikstücken Proteobakterien, die sich in den Kunststoff fraßen. Die Müllbeißer waren bis dahin nur von Abfallhalden an Land, nicht jedoch aus dem Meer bekannt. Seither erforscht Mincer mit seinen Kollegen am Woods-Hole-Institut für Ozeanographie die Stoffwechselwege dieser Mikroben. Ob sie der Umwelt einen Gefallen tun, lässt sich noch nicht sagen. Denkbar wäre nämlich auch, dass sie die Giftstoffe aus dem Plastik durch die Verdauung des Mülls überhaupt erst freisetzen. Ein weiterer Beweis für die Komplexität des Problems.

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