Alltag im All: Klarinette, Kino, Kuschelnest

Zwei Astronauten mit Schutzbrillen posieren vor einem Fenster mit Blick auf die Erde.
Elektronik allein reicht nicht zum Überleben, sagt Ex-Astronaut Thiele. Man braucht auch etwas zum Anfassen.

Von wegen nix los im Kosmos. Soeben ist die erste chinesische Taikonautin ( = Astronautin) auf der Raumstation "Himmelspalast" gelandet. Liu Wang erhält spezielle fettarme Kost, Fußmassagen und darf in ihrer Freizeit mit ihren männlichen Kollegen eine Schatzsuche veranstalten. Kein Scherz, die Unterhaltung der Astronautencrews wird immer wichtiger, speziell bei den bevorstehenden Langzeitmissionen ins Weltall.

Auch die US-Raumfahrtbehörde NASA will ihre Mannschaften aufheitern. Die Crew der internationalen Raumstation ISS bekommt eine Sonder-Vorführung des Superhelden-Streifens The Avengers, ein Erfolg auf der Erde. "Solche Dinge helfen der Mannschaft, mit der Erde verbunden zu bleiben, was wichtig für die Stimmung ist", sagt der NASA-Psychologe Dam Cook.

All-so wirklich

Raumfahrer-Nationen lagern die Logistik im erdnahen Orbit zunehmend an private Raumtransporter aus. Ab 2015 soll die US-Firma SpaceX nicht nur Güter, sondern auch Menschen zur ISS befördern. Russland, die USA und China spielen sich frei für neue Aufgaben. "Spätestens auf einer Marsmission werden scheinbare Nebensächlichkeiten wie private Rückzugsbereiche – `Nester` genannt – über den Erfolg dieser Missionen zumindest mitentscheiden", sagt Weltraumarchitektin Sandra Häuplik-Meusburger. Die TU Wien beschäftigt sich zunehmend mit nicht-wissenschaftlichen Bedürfnissen von Astronauten. Häuplik-Meusburger und San-Hwan Lu starteten den Studentenwettbewerb "Die Raumbasis der Zukunft".

Gerhard Thiele war als Wissenschaftsastronaut auf der Space-Shuttle-Mission STS-99 im Jahr 2000. Elf Tage war er im All. In dieser Zeit lieferten Thiele und seine Kollegen die Daten für ein 3-D-Modell der Erde von bis dahin nicht gekannter Genauigkeit. Der Physiker und Marathonläufer wäre gern länger geblieben. "Bei langen Missionen reicht aber Elektronik allein nicht, man braucht etwas zum Anfassen." Ergäbe sich die Gelegenheit für einen zweiten Flug, wäre Thieles Klarinette mit im Fluggepäck. Der KURIER sprach mit dem Experten (am Freitag beim European Space Policy Institute ESPI in Wien) über den Alltag im All.

Zwei Männer stehen Kopf, im Hintergrund sind Flaggen zu sehen.

NASA TVCommander Kevin Kregel, left, helps German astronaut Gerhard Thiele float upside down while he answers questions from journalists in Germany in this televised view from Endeavours middeck Saturday, Feb. 19, 2000. A flag from the European Space Agen
Eine Gruppe von Astronauten posiert in der Schwerelosigkeit für ein Foto.

NASA TVEndeavours crew gathered on the flight deck for a question answer session with the media on Earth in this view from television Friday, Feb. 18, 2000. The front row from left: Mamoru Mohri, commander Kevin Kregel, and pilot Dom Gorie; second row: Ja
Zwei Astronauten posieren in der Raumstation Mir für ein Foto.

NASA TVGerman astronaut Gerhard Thiele, left, expresses his interest on visiting Mars while he and astronaut Janet Kavandi answer E-mail questions from the internet in this televised view from Endeavours flight deck Friday, Feb. 18, 2000. Thiele would lik
Ein Astronaut benutzt ein Headset und einen Laptop im Weltraum.

NASA TVGerman astronaut Gerhard Thiele talks about the radar antenna aboard the shuttle that is gathering data for three dimensional maps in this televised view from Endeavours flight deck Thursday, Feb. 17, 2000. (AP Photo/NASA TV)
Ein Astronaut im Weltraum mit einem Modell des Space Shuttle.

NASA TVGerman astronaut Gerhard Thiele gestures during an interview with radio stations in Germany in this televised view from Endeavours middeck Wednesday, Feb. 16, 2000. The flags from the countries participating in the mission hang in the background. (
Ein Mann schwebt mit einer roten Kugel Wasser im Weltraum.

NASA TVGerman astronaut Gerhard Thiele blows on a red water bubble in this televised view from Endeavours middeck Wednesday, Feb. 16, 2000. Thanks to fuel-efficient changes in steering and flushing aboard space shuttle Endeavour, NASA is optimistic that a
Ein Mann wischt sich mit einem Tuch das Gesicht in einer Raumstation.

NASA TVGerman astronaut Gerhard Thiele wipes his face after a morning shave in this image from television from Endeavours middeck Wednesday, Feb. 16, 2000. Thanks to fuel-efficient changes in steering and flushing aboard space shuttle Endeavour, NASA is o
Zwei Astronauten schweben in einem Raumschiff, während einer dem anderen einen Haarschnitt verpasst.

NASA TVAstronaut Janet Kavandi, top, pretends to towel off German astronaut Gerhard Thiele as he exercises on the stationary bicycle in this televised view from Endeavours middeck Tuesday, Feb. 15, 2000. Gerhard is holding a model of the retractable radar
Zwei Astronauten in Raumanzügen posieren vor technischen Geräten.

NASA TVGerman astronaut Gerhard Thiele, right, gives a thumbs up while suiting up for his space shuttle mission in this image from television Monday, Jan. 31, 2000 in Cape Canaveral, Fla. The space shuttle Endeavor is scheduled to blast off on an 11-day m

"Man kann nicht lüften"

KURIER: Herr Thiele, worüber streiten Astronauten im All?
Gerhard Thiele: Zu meiner Zeit wurde ein einziges Mal geschimpft, weil ein P.H.K. , der sogenannte "Personal Hygiene Kit" nicht an seinem Platz war. Der Kollege knurrte, verflixt, wer es denn habe.

Knistert zwischen Astronauten mehr als nur das Interkom?
Wir haben 1,5 Jahre lang gemeinsam trainiert und kannten einander gut. Warum sollte dann auf der eigentlichen Mission nicht der Groschen fallen? Mir ist nichts aufgefallen. Wenn was passiert ist, dann haben es die Betroffenen für sich behalten.

Wie ist die Luft da oben?
Die ist in Ordnung, aber man kann nicht lüften, schlechte Gerüche werden herausgefiltert. Nach der Landung, heißt es, ist die Luft im Cockpit verbraucht, wie nach einer langen Sitzung.

"Das unerforschte Meer der Wahrheit"

Was braucht ein Astronaut?
Man muss uns nicht bei Laune halten. Die Grundbedürfnisse sind befriedigt. Man darf aber nicht auf die Spiritualität vergessen, jeder braucht Musik und Kultur, sonst kriegen sie eine Marsmission nicht geregelt. Das kann ein Instrument sein oder ein Miró. Oder aber ein Kandinsky.

Woran denkt man da oben?
Wenn ich die Gedanken schweifen lassen wollte, habe ich in die Schwärze geguckt, faszinierend. Mir wurde bewusst, dass wir nur vor die Tür getreten sind. Vor uns liegt, wie Isaac Newton gesagt hat, das unerforschte Meer der Wahrheit.

Termin

Am Dienstag, den 26. Juni, präsentieren Studenten der TU Wien ihre Visionen für ein menschenwürdiges Mondleben. Die Veranstaltung beginnt um 14 Uhr und findet in der Resselgasse 5/ Ecke Wiedner Hauptstraße statt.

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