Alexander McQueen: Er schneiderte Kleider aus Emotionen

Ein Dokumentarfilm beleuchtet das Leben und den frühen Tod des genialen Modeschöpfers.

Spätestens im April 2011 kannte jeder seinen Namen. Doch als Kate Middleton in einem spektakulären Hochzeitskleid von Alexander McQueen vor dem Augen von Milliarden Zusehern zum Altar schritt, war dieser bereits ein Jahr tot. Im Alter von 40 Jahren hatte sich der britische Stardesigner das Leben genommen, sein Label wurde von Sarah Burton weitergeführt, die auch das royale Brautkleid entworfen hatte.

Die Modewelt verfiel in eine Schockstarre – wie konnte es soweit kommen, dass einer der genialsten Couturiers seiner Zeit nicht mehr leben wollte? Fast neun Jahre nach seinem Tod ergründet nun ein neuer Dokumentarfilm die vielschichtige Persönlichkeit und vor allem die dunklen Seiten von Lee Alexander McQueen, wie er mit bürgerlichem Namen hieß. Die beiden Regisseure Ian Bonhôte and Peter Ettedgui wollten keinen Modefilm drehen, sondern ein intimes Porträt über einen scheuen Ausnahmekünstler, der mit dem Druck in der Branche, dem Leben in der Öffentlichkeit und seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hatte. Dutzende Wegbegleiter Alexander McQueens kommen zu Wort, als Grundgerüst des knapp zweistündigen Films dient dennoch die Mode – genauer gesagt seine ikonischsten, meist autobiografisch geprägten Shows, die wie einzelne Kapitel seine Geschichte erzählen.

Lust an der Provokation

Alexander McQueen: Er schneiderte Kleider aus Emotionen

ein goldenes Fuchssekelett als Accessoire

Während des Unterrichts zeichnete der pummelige Teenager Kleider, später investierte er sein Arbeitslosengeld in Stoffe. Mit nur 27 Jahren wurde McQueen Chefdesigner im französischen Traditionshaus Givenchy. Auf dem Laufsteg ließ er die Grenzen zur Performance-Kunst gerne verschwimmen, inszenierte Models als Opfer von Jack the Ripper, ließ ein weißes Kleid von zwei Robotern mit Farbe besprühen oder Kate Moss in Form eines Hologramms erscheinen. In seiner anfangs heftig kritisierten und mittlerweile legendären Kollektion Highland Rape von 1995 verarbeitete er eigene Missbrauchserfahrungen und seine schottischen Wurzeln zugleich. Oberste Prämisse: Nur nicht langweilen. „Wenn du zu einer meiner Shows gehst und keine Emotion verspürst, habe ich meinen Job nicht ordentlich gemacht“, hört man den jungen Alexander McQueen, der backstage nur selten Interviews gab, im Film sagen. Er verstand sich als Geschichtenerzähler, verwebte seine Emotionen zu Kleidern. Modeaffine Stars wie Lady Gaga und Sarah Jessica Parker verliebten sich in die außergewöhnlichen Kreationen, die stets auch seine dunkle Seite spiegelten.

Den wachsenden Druck – 14 Kollektionen lieferte er pro Jahr ab – kompensierte der sensible Brite mit Kokain und einem wilden Sexleben (das im Film nur angedeutet wird). Die Beziehung zu seinem Lebenspartner scheiterte, er infizierte sich mit HIV. Am Tag der Beerdigung seiner Mutter, die zeitlebens eine seiner wichtigsten Bezugspersonen war, wurde Lee McQueen tot in seinem Londoner Apartment gefunden. Umso stärker wirkt so mancher Satz, den er im Trailer zum Film sagt: „Es geht um die Zerbrechlichkeit des Lebens“, philosophiert er nach einer Show. „Im einen Moment bist du da... im nächsten bist du weg.“

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