Von der Kunst des Spielens

Von der Kunst des Spielens
Am jüngsten Spieleklassiker zeigt sich, was den Homo Ludens auszeichnet.

"Im Spiel verraten wir, wes Geistes Kind wir sind."Ovid, römischer DichterNach einigen Abenden hatten die beiden Ehepaare Catty und Führer die Brettspiele in ihrem steirischen Urlaubsquartier durch. Und sie hatten sie satt. Also erfanden sie ein Spiel, in dem die Teilnehmer möglichst viel ihrer Persönlichkeit einbringen. Und lustig sollte es sein.

In den folgenden 25 Jahren wurde "Activity" sieben Millionen Mal verkauft und in 13 Sprachen übersetzt.

Den Namen verpasste der Wiener Spieleverlag Piatnik der Erfindung, nachdem sie sich privat bewährt hatte. Heute zählt Activity, bei dem man Mitspielern in 60 Sekunden Begriffe beschreiben, wortlos darstellen oder aufzeichnen muss, zu den Spieleklassikern. Piatnik-Geschäftsführer Dieter Strehl: "Im Mittelpunkt steht bei allen Ausgaben immer das unterhaltsame und kommunikative Miteinander." Das und ein simples System zeichnet fast alle Klassiker aus, siehe "Mensch ärgere dich nicht".

Kulturspiel

Dem niederländischen Historiker Johan Huizinga (1872-1945) hätte Acitivity gefallen. Auf seinem Buch "Homo ludens – Vom Ursprung der Kultur im Spiel" (1938) basiert die moderne Spieleforschung, Ludologie. Seine Definition des Begriffes "Spiel" setzte einen neuen Maßstab: "eine freiwillige Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und dem Bewußtsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘." Bis dahin erklärte man Menschsein durch die Fähigkeit, logisch zu denken (homo sapiens) und zweckorientiert zu handeln (homo faber). Huizinga fehlte in der Definition die Fähigkeit des zwecklosen Denken und Handelns, nur zur Unterhaltung. Den Menschen mache vor allem die Erschaffung der Kultur aus, sagte er. Er erforschte, dass Menschen lange vor Beginn der Kulturen spielten. Daraus entstand Bewusstsein für Spaß und freiwillig gewählte Regeln – beides Basis der Kultur. Sprachlich zeige sich das in Ausdrücken wie "Theater, Fussball, Musik spielen".

Die moderne Ludologie rückt hier ein paar Felder vor: Einige Studien besagen, dass Vielspieler wesentlich kommunikativer und wissbegieriger seien – was wenig überrascht. Es sei aber auch herausgekommen, dass sie ausgeglichener sind als Spieleverweigerer. Seriöser erforscht sind die Auswirkungen des Spielens auf Fähigkeiten wie Kreativität, Vorstellungsvermögen, Interaktion und Empathie. Laut Spieleindustrie liegt im Spielen ohnehin die Antwort auf alle Sorgen. So ist "Activity" laut Hersteller nicht nur "insbesondere für Kinder ein hervorragendes Training, Kreativität, Sprache und Ausdruck zu fördern", sondern bilde auch eine "Brücke zwischen Generationen".

Die Euphoriebremse zieht die Ludologie auf dem jungen Forschungsfeld "modernes Spielverhalten". Die Akteure: Kinder, die alleine vor dem PC sitzen. Die Auswirkungen: Noch unbekannt.

Activity gibt es seit 2011 übrigens auch als App.

Spielgeschichte

Activity zählt auch international zu den erfolgreichsten Brettspielen, die Erfindung von Ulrike und Paul Catty sowie Maria und Josef Ernst Führer erhielt zahlreiche Preise (u. a. Spiel des Jahres in Russland). Der Verlag Piatnik entwickelte einige Ableger (für Kinder, Reiseversion, Erwachsenen-Editionen), das Fernsehen Showformate in Deutschland („Extreme Activity“, prämiert mit dem „Grimme-Fernsehpreis“ und der „KURIER ROMY 2007“), Ungarn, Slowakei, Litauen.

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