10 Schritte zum perfekten Kindergartenstart

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Was der Einstieg in Krippe mit einer Singlereise zu tun hat und was Eltern beachten müssen, weiß Pädagogik-Professor Wilfried Datler.

Professor Wilfried Datler ist Pädagogik-Experte der Universität Wien und kennt die wichtigsten Faktoren für einen guten Krippen-, Kindergarten- oder Schuleinstieg.

"Die Übergangssituation ist in jeder Phase eine Herausforderung, egal um welchen Schritt es sich handelt: Von der Familie in die Krippe, von der kleineren Krippe in den größeren Kindergarten oder später in die Schule. Die Kinder verstehen zwar immer mehr, aber sie müssen trotzdem richtig begleitet werden."

10 Schritte zum perfekten Kindergartenstart

Der Leiter des Arbeitsbereichs Psychoanalytische Pädagogik am Institut für Bildungswissenschaften der Uni Wien bringt die Schwierigkeit für Kinder auf den Punkt: "Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf eine zweiwöchige Single-Reise. Da brauchen Sie auch einige Zeit, bis Sie sich an die Gruppe gewöhnen, die anderen Reiseteilnehmer und den Reiseleiter kennenlernen und Kontakte knüpfen. Das ist je nach Persönlichkeit unterschiedlich. Und Erwachsene verstehen: Wenn es mir nicht gefällt, muss ich nur zwei Wochen durchhalten. Dann bin ich wieder zu Hause. Kinder merken irgendwann, dass das jetzt so bleiben wird."

Mit seinem Team kam er zu zahlreichen Erkenntnissen in der groß angelegten "Wiener Krippenstudie" und zahlreichen weiteren Analysen. Für den KURIER fasste er die zusammen, was Eltern für einen guten Start tun können.

1) Seien Sie selbst bereit für eine Trennung.

Eltern müssen bereit sein, ihr Kind loszulassen, damit es sich in der Kinderbetreuung wohlfühlt. Wenn sie selbst nicht bereit sind oder zu große Zweifel haben, übertragen sie diese Zurückhaltung auch auf das Kind. Die grundsätzliche Entscheidung für eine Fremdbetreuung muss passen. Doch der Zeitpunkt des Überganges wird oft unter dem Druck des eigenen Jobs gewählt, vor allem Mütter haben ein schlechtes Gewissen. Dazu kommt noch ein weiteres Problem, weiß Datler aus den Studien: "Eltern haben heute viel mehr als früher ihre eigenen Trennungserfahrungen und die wirken sich auch in dieser Situation aus. Wenn eine Mutter eine schwierige Scheidung hinter sich hat, tut sie sich mit dem Loslassen ihres Kindes vielleicht noch viel schwerer."

Wenn Eltern den Kindergarten nicht nur als Aufbewahrungssstätte sehen, sondern als Ort, an dem Kinder Spaß haben und Neues erleben, tun sie sich meist leichter mit der Loslösung.

2) Seien Sie überzeugt von der Krippe oder dem Kindergarten.

Machen Sie sich ein Bild von der Institution, die Ihr Kind betreuen wird. Wie sind die Betreuerinnen und Betreuer? Wie sind die Räumlichkeiten? Gibt es eine Sensibilität für den Übergangsprozess? Werden Sie als Eltern in die Eingewöhnung mit eingebezogen? Wenn Sie zu einem positiven Bild kommen, dann vertrauen Sie den Experten. "Wichtig ist auch, dass Pädagoginnen und Eltern zusammenarbeiten und sich abstimmen", betont Datler.

3) Übernehmen Sie die Verantwortung.

Wichtig ist die Klarheit der Eltern. Sie sollten ihrem Kind sagen: "Wir wünschen uns, dass es dir im Kindergarten gefällt und du neue Freunde findest. Das ist am Anfang vielleicht nicht ganz einfach, aber es ist gut für dich", so Datler. Nur so könne das Kind mit seinen Emotionen umgehen. "Mein Kollege Helmuth Figdor nennt das 'verantwortete Schuld'. Dass Eltern es aushalten können, dass dieser Prozess auch schmerzhaft ist, aber trotzdem gut. Dass sie die Wut des Kindes aushalten können. Und dass sie für das Kind entscheiden."

Statistisch zeigte sich kein Zusammenhang zu der Art der Beziehung, so Datler, aber "wie Kinder bisher Trennungssituationen erlebt haben, wirkt sich auch auf die leichtere Loslösung im Kindergarten aus". "Eltern sollten nicht warten, bis das Kind sie selbst wegschickt, sondern selbst bestimmen. Das würde das Kind überfordern", erklärt Datler.

4) Beobachten Sie die Emotionen Ihres Kindes genau.

Kinder drücken ihre Gefühle sehr unterschiedlich aus, doch ist nicht immer klar herauszulesen, wie es Kindern wirklich geht, zeigen Datlers Studien: "Es gibt Kinder, die laut und deutlich ihre Gefühle zeigen, etwa durch Weinen. Aber wenn ein Kind nach einigen Tagen nicht mehr weint, muss das nicht bedeuten, dass es jetzt glücklich ist. Gerade die stillen Kinder, die in der Gruppe nicht auffallen, können sehr unglücklich sein. Sie zeigen nur ihr Gefühl der Verlorenheit nicht nach außen. Andererseits gibt es Kinder, die im Kindergarten total aufgedreht und aktiv sind, damit sie zu beschäftigt sind, um ihre traurigen Gefühle zu spüren", beschreibt Datler.

Oft reagieren Kinder erst, wenn sie feststellen, dass der Kindergarten keine Ausnahmesituation ist, sondern fix. "Manche sträuben sich nach einiger Zeit, wenn man dachte, sie haben sich bereits gut eingewöhnt", so Datler.

4) Nehmen Sie im Familienalltag Rücksicht auf die Veränderung.

Wenn sich der Zeitrhythmus in der Früh ändert, ist das eine große Umstellung für das Kind. Besonders, wenn noch ein Zeitstress dazukommt. Nehmen Sie sich lieber mehr Zeit, als dann gehetzt im Kindergarten anzukommen. Die Veränderungen wirken sich auch zu Hause aus, etwa indem das Kind sich anders verhält.

10 Schritte zum perfekten Kindergartenstart
Gesundes Essverhalten lässt sich sanft antrainieren: „Je öfter ein Mensch etwas isst, desto lieber isst er es und kann so eine Vorliebe entwickeln. Das ist bei kostfreudigen Kindern gut, denn so kann man ihnen Gesundes anbieten und schmackhaft machen.“

5) Stellen Sie eine Beziehung mit der Pädagogin her.

Stellen Sie einen positiven Kontakt mit der Pädagogin her, dann erlebt das Kind auch diesen Zugang. Es gibt ein Diskussion unter den Experten, die wichtig die Bezugsperson im Kindergarten ist. "Es ist wichtig, dass das Kind einen Erwachsenen hat, der ihm das Gefühl gibt, er kümmert sich. Der es zu Spielen oder zur Kommunikation einlädt. Aber weder soll das Kind auf eine Person fixiert sein, die auch mal verhindert sein kann oder sich um ein anderes Kind intensiv kümmert. Noch soll es keine direkte Bezugsperson haben, wie das manchmal in zu offenen Konzepten der Fall ist", erklärt Datler.

6) Bringen Sie Vertraute(s) in die neue Umgebung mit.

Manche Kinder tun sich leichter mit einer "Brücke des Vertrauens". Was Datler dmit meint "Die Kinder dürfen sie ein Spielzeug oder Kuscheltier von zu Hause mitbringen oder haben einen anderen Anker im Kindergarten."

Datler widerspricht auch einer gängigen Meinung über Freundschaften: "Es stimmt nicht, dass kleine Kinder nur die Erwachsenen als Bezugsperson empfinden. Schon Kinder im Alter von einem Jahr nehmen andere Kinder positiv wahr. Je größer sie werden, desto intensiver wird die Bindung. Natürlich ist die Aufmerksamkeitsspanne für gemeinsames Spielen noch kurz, aber sie fühlen sich dem anderen Kind trotzdem verbunden."

7) Schaffen oder nützen Sie die Routine und Rituale für die Kindergartensituation.

"Eines hat sich bei unseren Studien deutlich gezeigt: Kinder brauchen eine klare Struktur in Krippe und Kindergarten, dafür muss auch die Leitung sorgen. Wenn Kinder sich jeden Tag neu auf eine Gruppensituation einstellen müssen, fällt ihnen das enorm schwer. Das zeigte sich vor allem in unseren Einzelfallstudien", so Datler.

8) Geben Sie Ihrem Kind Zeit.

Manche Eltern haben das Gefühl, sie müssten nach dem Abholen viel Programm machen, um dem Kind ihre Aufmerksamkeit zu beweisen. Doch Kinder brauchen gerade dann Zeit, um ihre Eindrücke zu verarbeiten und auch, um ihre Gefühle zu äußern. Nur so könnten die Eltern erkennen, was wirklich in ihrem Kind vorgeht.

9) Nützen Sie Beratungsangebote.

Wenn Eltern und auch Pädagogen sich sehr unsicher sind, ob ihr Kind mit der neuen Situation gut zurechtkommt, bieten manche Kindergärten wie die Kinderfreunde oder die Häuser der St. Nikolausstiftung eigene Berater an und stehen Familienberater zur Verfügung. Datler: "So wie man zum Arzt geht, wenn das Kind Krankheitssymptome zeigt, kann man auch die Hilfe eines Experten in Anspruch nehmen. Ohne dass der eine ganze Testbatterie auffährt. Andere Probleme mit dem Kind löst man ja auch nicht alleine."

10) Überlegen Sie eine Notbremse.

Wenn es gar nicht anders geht, müssen Eltern Konsequenzen ziehen, warnt Datler. "Diese ersten Trennungssituationen prägen sich bei den Kindern ein. Darum muss man sehr behutsam damit umgehen."

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