Das Erbe der Habsburger
„Die Republik Deutschösterreich ist Eigentümerin des gesamten in ihrem Staatsgebiete befindlichen beweglichen und unbeweglichen hofärarischen sowie des für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen Vermögens.“
Am 23. März 1919 verließ die Kaiserfamilie Österreich im Zug Richtung Schweiz. Karl I., Zita und Anhang gingen aber keineswegs mittellos ins Exil – anders als es die offzielle Familienerzählung der Habsburger damals nahelegte. 162 Kisten wurden ihnen allein aus Schloss Eckartsau nachgeschickt, wo die Familie zuletzt gelebt hatte. Außerdem hatte der Kaiser frühzeitig veranlasst, Teile des Vermögens in die sichere Schweiz zu schaffen.
Aber das alles war natürlich nur ein Bruchteil jener Reich- und Besitztümer, die die Habsburger in 600 Jahren angesammelt hatten. Vor allem die junge Republik Österreich stand daher ab 1919 auch vor der Aufgabe, das materielle Erbe der Habsburger neu aufzuteilen, es zu verwalten und sinnvoll zu nutzen.
Was also passierte mit dem kaiserlichen Besitz – mit den Schätzen, den Schlössern und deren Einrichtung - nach dem Ende der Monarchie?
Die Ausstellung „Bruch und Kontinuität: Das Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1919“ im Hofmobiliendepot geht dieser Frage aktuell nach. Bei einer KURIER Kultur Plus Veranstaltung hatten Leserinnen und Leser die Gelegenheit, mehr über diesen Aspekt der Stunde Null der Republik zu erfahren.
KURIER-Redakteur Werner Rosenberger sprach dazu im Hofmobiliendepot mit den Kuratoren der Ausstellung, Ilsebill Barta und Martin Mutschlechner sowie mit dem Sachbuch- und KURIER-Autor Georg Markus. Davor und im Anschluss an die Diskussion führten die beiden Kuratoren die Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellung.
Martin Mutschlechner erzählte, dass es eine Zeit lang gedauert habe, bis die Republik ihren Weg mit dem Erbe umzugehen fand. Es habe, so der Kurator, damals großen Respekt vor dem ehemals kaiserlichen Besitz gegeben. Also habe man erst einmal getan, als wäre der Kaiser gar nicht ausgezogen, um der Diskussion über den Nachlass aus dem Weg zu gehen.
Die Recherche zur Ausstellung beruht zu einem Gutteil auf Akten zur Liquidation des Habsburgerbesitzes, die Martin Mutschlechner und Ilsebill Barta mit ihrem Team aufarbeiteten. „Diese Akten waren interessanterweise fast gänzlich unbekannt“, sagte Barta, „sie haben bis vor kurzem in einem Dornröschenschlaf gelegen.“
In der Zeit zwischen dem Ende der Regentschaft des Kaisers am 11. November 1918 und der tatsächlichen Auflösung der Hofverwaltung drei Jahre später regelte die Republik schließlich den Nachlass der k.u.k.-Zeit. Aus allen Ecken des Landes und der anderen Nachfolgestaaten wurden Ansprüche gestellt.
Ilsebill Barta betonte, wie wichtig die ehemalige k.u.k.-Beamtenschaft damals war, da sie auch der Republik gegenüber loyal blieb. Mutschlechner sprach von „einem Lehrstück der Verwaltungskunst“.
Wie groß der Umbruch, den das Ende des Kaiserreichs bedeutete, tatsächlich war, brachte Georg Markus auf den Punkt: Aus dem Riesenreich sei schlagartig das kleine Österreich geworden – „es war ein österreichischer Brexit.“
Für den Kurator Mutschlechner brachte die Arbeit an der Ausstellung nicht zuletzt diese Erkenntnis: Vieles, das heute selbstverständlich scheint, hat seinen Ursprung in den ersten Jahren nach 1918. Dass es heute Bundesmuseen gibt, der Bundespräsident in der Hofburg sitzt und dass Schlösser wie Schönbrunn öffentlich verwaltet werden zum Beispiel. Das Erbe der Habsburger prägt den österreichischen Staat und sein Kulturleben also auch in diesem Sinn noch heute.
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