Ein Kinderverzahrer – oder doch nicht

Anita Ammersfeld als Nonne und Alexander Rossi als Pater Flynn
Heftig akklamiert: John Patrick Shanleys Parabel "Zweifel" im stadtTheater walfischgasse.

Wer nichts weiß, muss glauben. Aber viele, die blind glauben, irren. Gott schütze uns vor denen, die glauben – nein, die felsenfest überzeugt sind, allein im Besitz der Wahrheit zu sein.

Vom Zweifel überhaupt nicht angekränkelt ist zunächst Schwester Lukas in John Patrick Shanleys Parabel "Zweifel". Die unerbittliche Nonne, die in ihrer Klosterschule einen Fall von Kindesmissbrauch vermutet, ist die letzte Bühnenrolle der Intendantin Anita Ammersfeld im stadtTheater walfischgasse. Wo ab Herbst die Kinderoper wohnen wird. Das intelligente und provokante Stück rund um Verdacht, Schuld und (Vor-) Verurteilung – mit Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman in den Hauptrollen verfilmt – dreht sich um die Fragen:

Was tun, wenn uns ein böser Verdacht quält? Sollen wir ans Gute im Menschen glauben, auch wenn es vielleicht nicht gerechtfertigt ist? Oder setzen wir Maßnahmen sogar ohne Rücksicht darauf, dass der Ruf eines vielleicht Unschuldigen darunter leiden könnte?

Ein Bub, als einziger Schwarzer Außenseiter in der Ordensschule, wurde beim Messwein-Trinken ertappt. Ammersfeld verkörpert glaubwürdig die in ihrer fundamentalistischen Strenge gefangene Schwester Lukas, die einen vagen Verdacht geradezu inquisitorisch verfolgt. Die einen Feldzug aus Verdächtigung und Verleumdung startet.

Die von Christine Wipplinger sparsam inszenierten atmosphärisch dichten 80 Minuten würden auch perfekt als Hörspiel funktionieren durch präzises Timing und klare Dialoge. Kein falscher Ton schleicht sich ein.

Johanna Withalm ist als junge Schwester James eine Sympathiefigur und ein erfrischend überschwänglich-naiver Widerpart zur alten Nonne und ihrer selbst ver-ordneten Gewissheit: "Zufriedenheit ist ein Laster." Misstrauen ihr Lebenselixier.

Aber so wie Alexander Rossi den liebenswürdigen und weltoffenen Pater Flynn anlegt, traut man ihm die Abgründe eines Kinderverzahrers gar nicht zu. Wie könnte man ihm Böses unterstellen, da doch seine Weltsicht so herrlich undogmatisch ist: "Die Wahrheit taugt nicht für die Predigt, sie ist verwirrend und hat keine Moral." Andererseits: Der Teufel hat keine Fratze, sondern geht manchmal mit hübschen Menschengesichtern spazieren ...

Info: Karten: 01/512 42 00 www.stadttheater.org

KURIER-Wertung:

Kommentare