Seien wir uns ehrlich: Wenn wir heute an „Glamour“ denken, dann meinen wir nicht wirklich Kim Kardashian, Kanye West oder all das Influencer-Personal, das die Medienlaufstege dieser Welt bevölkert. Und dabei eine Fassade zur Schau stellt, die aufs Engste mit Verwertungsinteressen (dem Werbevertrag mit dem Lippenstifthersteller, der Fast-Fashion-Company oder dem Smoothie-Erzeuger) verknüpft ist.
Nein, für echten Glamour muss die hoch artifizielle, strahlende Inszenierung etwas Absichtsloses, Abgehobenes haben, erst dann erscheint die Person richtig der Welt entrückt. Wir denken also an Marlene Dietrich, Josephine Baker oder die heute teils namenlosen Ikonen, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg Seiten von Magazinen wie der Vogue oder Harper’s Bazaar bevölkerten. Wir denken dabei auch an George Hoyningen-Huene und an Horst P. Horst.
Messlatte für Modefotos
„An ihnen müssen sich bis heute alle abarbeiten“, sagt Fabian Knierim, mit Rebekka Reuter Kurator der Ausstellung „Horst – Huene. In Style“ im Wiener Fotomuseum Westlicht (bis 7. 8.). Die faltenlose Eleganz, für die die beiden Fotografen stehen, ist für Modefotografen entweder Vorbild oder Reibebaum.
Die Westlicht-Schau fokussiert auf den Ursprung der klassischen Glamour-Ästhetik und führt dabei zunächst ins Paris um 1930. Der in eine russische Adelsfamilie geborene, nach der Revolution geflüchtete George Hoyningen-Huene war dort 1925 zum Cheffotografen der Vogue avanciert. Surrealismus war der heiße Kunsttrend der Zeit.
Huene pflegte Umgang mit dem selbst nicht glamourfeindlichen Salvador Dalí und baute surreale Elemente in seine Fotosets ein – verschobene Größenverhältnisse oder die Zusammenführung unterschiedlicher Elemente im selben Bild hatten es ihm angetan. Zugleich hatte Huene eine Schwäche für antike Statuen, athletische Männerkörper – und Männer generell. Und so kam der äußerst gut aussehende Deutsche Horst P. Horst in sein Leben.
Er war zunächst Model, dann Liebhaber, dann Lehrling und Protegé: Als Huene 1935 den Posten bei der Vogue verließ, wurde Horst sein Nachfolger.
Ikonen der Eleganz
Nicht nur wegen seiner längeren Wirkungsperiode, auch wegen tausendfach reproduzierter Motive wie dem Rückenbild einer Frau im „Mainbocher-Korsett“ ist Horst heute präsenter als sein Vorgänger. Huenes Nachlass-Stiftung will dies ändern – und bringt dazu auch limitierte Abzüge auf den Markt, die in der Ostlicht-Galerie verkauft werden (9.000 – 30.000 €).
Die Westlicht-Schau verfolgt aber einen durchaus gelungenen musealen Ansatz, der das Publikum mit der Frage entlässt, was Eleganz und Stil, im Leben wie im Foto, letztlich ausmacht. Eine gewisse Distanz zu den Mühen des Alltags, erleichtert durch Vermögen und noble Herkunft, mag helfen. Doch am Ende äußert sich immer eine innere Haltung. Und so fällt es auch gar nicht auf, dass Huenes berühmtestes Foto, das Horst und die ebenfalls zur Fotografin gewordene Lee Miller scheinbar am Meer zeigt, am Dach des Vogue-Gebäudes entstand – oberhalb des lärmigen Verkehrs der Champs-Élysées.
Kommentare