Zwei Drittel waren Nazis

Ob ihre Kunst als „entartet“ galt? Kaum. Maria Lassnig schloss ihr Studium beim Nazi Ferdinand Andri ab – im Jänner 1945.
NS-Aufarbeitung.Die Akademie der bildenden Künste stellt sich ihrer Geschichte. Maria Lassnig war kein Opfer.

Maria Lassnig starb am 6. Mai 2014. Tags darauf war im "Standard" zu lesen, dass Lassnig, geboren 1919 in Kappel, 1941 zur Aufnahmsprüfung an die Akademie nach Wien geradelt war: "Nur zwei Jahre später musste sie Wilhelm Dachauers Klasse wieder verlassen, ihre Bilder galten inmitten des heimattümelnden Realismus als ,entartet‘. Ihr Studium schloss sie bei Ferdinand Andri und Herbert Boeckl ab."

Ganz so, wie Andrea Schurian die Geschichte erzählte, dürfte es aber nicht gewesen sein. In der im Böhlau Verlag veröffentlichten Studie "Die Akademie der bildenden Künste Wien im Nationalsozialismus" schreibt Verena Pawlowsky, dass Lassnig bereits im Wintersemester 1940/’41 Malerei studierte. Im Jänner 1945 schloss sie ihr Studium mit Diplom ab – und noch im Februar 1945, als Hitler den Krieg praktisch schon verloren hatte, wurde dem "Fräulein" vom damaligen NS-Rektor ein "Staatsstipendium zur künstlerischen Weiterbildung" in der Höhe von 500 Reichsmark zugesprochen. Zuvor, 1943 und 1944, hatte Lassnig drei Mal das Gaustipendium Kärnten erhalten.

Pawlowsky kommt zum Schluss: "Die vor allem in den Nachrufen des Jahres 2014 erfolgte Darstellung, Lassnigs Bilder seien als ,entartete Kunst‘ bezeichnet worden und sie selbst habe die Akademie 1943 verlassen müssen, kann durch die vorliegenden Quellen nicht belegt werden, die zuerkannten Stipendien zeigen im Gegenteil, dass die Künstlerin sogar gefördert wurde."

Laut Pawlowsky schloss Lassnig ihr Studium nicht bei Boeckl ab, der am 19. April 1945, zwei Wochen vor dem Kriegsende in Wien, provisorisch die Geschäfte des Rektors übernahm, sondern nur bei Ferdinand Andri. Der Maler gehörte zu jenem NS-Triumvirat, das am 12. März 1938, also noch vor der offiziellen Machtübernahme, die Leitung der Akademie an sich gerissen hatte. Diesem gehörte auch Dachauer an.

Ferdinand Andri war – wie Alexander Popp, der Dritte im Bunde – ein "illegaler" Nationalsozialist gewesen. Alle drei wurden am 26. Juni 1945 ihres Amtes enthoben. Insgesamt waren zu Kriegsende zwei Drittel der Lehrenden NSDAP-Mitglieder. Die meisten von ihnen wurden entlassen, aber nicht alle. Und drei der neun Lehrenden, die 1938 gehen mussten, kehrten zurück: Erich Boltenstern, Eugen Wachberger und Clemens Holzmeister.

Hoch an der Zeit

Pawlowskys penible Recherche mit seitenlangen Listen und Tabellen war hoch an der Zeit: 2011 hatte die Journalistin Ruth Eisenreich der Uni in der jüdischen Zeitschrift Nu unter dem Titel "Akademie der Verdrängenden Künste" die fehlende Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Geschichte vorgeworfen. Aber erst im Oktober 2013 wurde Pawlowsky von Rektorin Eva Blimlinger, mit der Studie beauftragt.

Ausführlich widmet sich die Historikerin den Opfern. Der Regisseur Lothar Wallerstein zum Beispiel war der einzige Beschäftigte, der die Akademie 1938 aus "rassischen" Gründen verlassen musste. Unter den Studierenden hingegen gab es mehrere, darunter Elisabeth Wellesz. Sie war, so Pawlowsky, "die jüngere der beiden Töchter des österreichischen Komponisten Egon Joseph Wellesz".

Dass die Mutter nicht erwähnt wird, befremdet ein wenig. Auch deshalb, weil die Akademie von drei Frauen mit feministischen Anliegen geleitet wird. Daher sei nun hier nachgetragen, dass Wellesz von 1908 an mit der Byzantinistin Emilie Stross verheiratet war. Zudem geht Pawlowsky nicht näher auf Boeckl ein. War er nun Mitglied der NSDAP? Und hatte er dies 1945 verschwiegen?

Die Studie wird am Donnerstag, 10. Dezember, um 18 Uhr in der Aula der Akademie präsentiert.

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