"Simpsons"-Erfinder Groening: "Mein Vater war der Original-Homer"
Dauerregen in Portland, Oregon und mangelndes Interesse an schulischer Betätigung führten Matt auf den richtigen Weg zur Weltkarriere. Seine Zeichnungen wurden in lokalen Magazinen abgedruckt, aber erst Mitte der 80ger Jahre verdiente er sich damit die Miete, als er nach Los Angeles zog und bei einer Tageszeitung arbeitete, die seine Comicstripserie „Life in Hell“ kaufte. 1988 wurde Starregisseur James. L. Brooks auf ihn aufmerksam, bestellte ein paar Kurzfilme bei Groening (64). „Die Simpsons“ waren geboren, und der Rest ist Geschichte. Nun läuft auf Netflix seine neueste Serie „Disenchantment“, ein Märchen für Erwachsene.
Sie stellen bei dieser Serie Märchen auf den Kopf und modernisieren sie. Welche Einflüsse hatten Sie dafür?
Sehr viele verschiedene, von den italienischen Folkmärchen von Italo Calvino über Fantasy-Autoren wie Tolkien, Neil Gaiman, Jack Vance und Gene Wolfe. Und dann kamen noch sehr klassische Filme und TV-Serien wie „Der Zauberer von Oz“ und die Buster-Keaton-Filme dazu. Wir arbeiten so, dass wir zuerst die Geschichte erzählen und danach die Witze hineinschreiben.
Bei „ Futurama“ und „The Simpsons“ hatten Sie jede Menge Popkultur-Referenzen und riskierten auch oft Kritik an Politik und Gesellschaft. Nun leben wir aber in einem sehr politisch korrekten Hollywood. Können Sie noch so kritikfreudig sein?
Als ich begann, machten mir die meiste Freude die Zuschauer, die darauf ansprangen, zu richtigen Fans zu machen. Und wenn dann ein Teil des Publikums beleidigt war, spielte das auch keine Rolle. Heute ist mein Ziel, auch Leute zu erreichen, die nicht das typische Publikum sind. Wenn du jemanden zum Lachen bringen kannst, der nicht derselben Meinung ist wie du, hast du schon gewonnen. Das ist ein Sieg der Kreativität, und den strebe ich an.
Wie soll das gehen in einem geteilten Land, einer geteilten Welt?
Es ist heute alles politisch, wenn man es auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert. Sogar oberflächliche Unterhaltung. Ich bin immer gespannt, wie es ankommt, aber auch wenn es nicht ankommt, bin ich stolz darauf, es versucht zu haben.
Was, würden Sie sagen, ist Ihre Trademark?
Ich zeichne alle Figuren mit gigantischen, runden Augen und großem Überbiss. Erst in der neuen Serie gibt es ein paar Ogers, die einen Unterbiss haben, was mir extrem schwer gefallen ist.
Schauen Sie sich Animation von Kollegen an?
Ich versuche es zu vermeiden, damit ich davon nicht unbewusst beeinflusst bin, aber ich habe natürlich „Coco“ gesehen, was ich für den besten Film des letzten Jahres halte. Und ich schaue „Atlanta“ und „Better Things“. Wenn ich nicht soviel TV machen würde, würde ich noch viel mehr fernschauen. Viel mehr.
Sie begannen als Journalist, nicht wahr?
Ja, ich schrieb für das LA Weekly und davor für den Los Angeles Reader. Ich schrieb über Musik und die Stadt. Ich habe großes Verständnis für jeden Menschen, der auf Deadline ist, das war für mich immer die größte Qual. Es war so schlimm, dass wenn ich am 15. des Monats genug verdient hatte, um die die nächste Miete zu bezahlen, ich den Rest des Monats nichts mehr arbeitete. Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich bin echt froh, dass ich mich da rausgearbeitet habe. Dass ich danach 32 Jahre lang einen wöchentlichen Comicstrip abliefern musste, ist eine andere Geschichte. Die Qual der Deadline war auch da schrecklich. Oh Gott, es ist Freitag, und die wollen das Ding um 12. Das war mein Leben und es geht mir keine Sekunde ab. Klar habe ich heute auch Deadlines, aber da gibt’s ein Team, ich bin nicht allein.
Wie autobiografisch waren die Simpsons?
Mein Vater ist der Original-Homer, er war ebenfalls Zeichner und als ich ein Kind war, erfanden wir gemeinsam Geschichten, die wir „The Story“ nannten. Darin ging meine Schwester Lisa – die Inspiration für Lisa Simpson – in den Wald, um verschiedenen Tieren zu helfen. Mein Vater filmte uns, als wir das meiner anderen Schwester Maggie erzählten, und das Werk kann man heute auf YouTube sehen. Ich war damals richtig süß, mit einer Bart Simpson-Frisur.
Es gab rund um die Simpsons jede Menge an Merchandising. Hatten Sie darunter ein Lieblingsding?
Das meiste war typisch für Animationsserien, die Plastikfiguren, etc. Worauf ich aber stolz war, waren die Asthma-Inhalatoren, denn es nicht leicht für Kinder mit Asthma, diese Dinger immer mitzuhaben. Aber ein Inhalator mit Bart Simpson drauf, das ist cool.
Wenn Sie heute auf Ihre Karriere zurückblicken, worauf sind Sie am stolzesten?
Dass das, was ich in meinem kleinen Zimmer aus Langeweile begann, so viele Menschen erreicht hat. Und dass ich nicht mehr Journalist sein muss!
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