Der Tonregler

Der Tonregler
Athanasios Rovakis, Chef-Tonmeister der Wiener Staatsoper, über Verstärkung, Lautsprecher und Mikrofone in der Oper.

Oper ist der reine Klang von Orchester und Stimme? Das stimmt längst schon nicht mehr.  Auch live wird inzwischen mit Mikrofonen, Lautsprechern und Mischpulten gearbeitet. Ein Blick hinter die Klangkulissen an der Wiener Staatsoper.

Auf die Feststellung, es sei doch eher eine Überraschung, dass es ihn gibt, antwortet Athanasios Rovakis mit einem freundlichen „Ja“. Rovakis ist nämlich Chef-Tonmeister an einem Ort, an dem künstliche Tonverstärkung ganz und gar nicht selbstverständlich ist, im Gegenteil. Oper pocht darauf, im Klang, insbesondere bei den Stimmen die unkünstlichste, die natürlichste Kunstform zu sein. Sänger, die sich Kraft ihrer Stimme über den Orchesterklang erheben, werden frenetisch gefeiert. In diesem hoch traditionellen Wechselspiel hat die Tonverstärkung eigentlich keinen Platz, könnte man meinen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Alleine durch das Online-Streaming, mit dem Opernhäuser weltweit versuchen, das schwindende Interesse an TV-Übertragungen mit eigener Präsenz zu kompensieren. 45 derartige Übertragungen pro Jahr macht die Staatsoper, und das ist ein hoher Aufwand auch für die Tontechnik: 20 bis 30 Mikros stehen da im Orchestergraben, weitere an der Bühnenrampe und im Bühnenbild, sagt Rovakis zum KURIER.

Ein Chor aus dem Off

Aber Rovakis und sein Team bearbeiten auch den Klang, den das Publikum im Opernhaus hört. „Bei 80 Prozent der Aufführungen gestalten wir zumindest irgendeinen Effekt mit. Es ist nicht der prominente Solist in der Mitte. Aber bei allem Drumherum kann es sein, dass wir unsere Finger im Spiel haben“, sagt Rovakis. „Oper ist Musiktheater. Und mit allen Facetten, mit denen das spielen kann, spielen wir auch. Es wird hier in der Regel nicht verstärkt. Man hat den Anspruch, dass es echt ist und live. Und trotzdem kommt das an seine Grenzen. Es ist kein Prinzip, dass wir nicht mitgestalten.“ Derart mitgestaltet werden u.a. „Geräusch-Atmos“ wie Donner oder Kanonen und auch Raumklänge von Chören aus dem Off „Turandot“ sei ein gutes Beispiel, „mit einem Chor, der im Off singt, und Bühnenmusik. Das wird alles reingemischt und kommt gut zusammen.“

Wobei „gut“ in der Staatsoper ein eigener, extrem hoher Standard ist. „Beim Musical oder im Pop hört man einen Gesangsstil, den man in Verbindung mit dem Mikrofon kennt und kultiviert hat. Beim Operngesang ist es genau anders herum. Wenn wir zu den live Singenden dazu arbeiten, gibt es sofort die Vergleichsmöglichkeit. Und so ist man noch kritischer. Der Mensch kann bei Stimmen sehr gut jedes Detail heraushören, da ist jede kleinste Färbung wahrnehmbar.“ Es gebe auch „viele andere Passagen, wo wir gebraucht werden. Eine Gitarre alleine und nicht im Orchestergraben wird schon zu leise sein. Man sagt immer: ,Früher ist das auch anders gegangen.’ Das stimmt schon. Aber es war immer schon kompromissbehaftet.“

Die Klang-Gestaltung ist aufwendig. „Man kann nicht einfach ein Mikrofon und einen Lautsprecher hinstellen. Da geht es um Auftritte und die Positionen der Beteiligten. Hört man sie genug? Muss man sie akustisch noch weiter weg setzen oder präsenter machen? Wie bettet man das in das Gesamtklangbild ein?“ Letzte Instanz dabei ist der Dirigent. „Wir versuchen, seine Klangwünsche maximal umzusetzen.“

Musical als Vorbild

Seit wann arbeitet man in der Oper mit derartiger Tontechnik? „Richtig gut geht es seit den 80er, 90er Jahren, da wurde im Musical-Bereich viel beim Live-Sound angeschoben.“ Ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit findet auch auf der Bühne statt: Er sorgt mit zahlreichen Lautsprechern dafür, dass die Sänger genügend hören. „Man möchte oft nicht glauben, wie sehr Bühnenbilder Ton abschatten. Oder auch Kollegen: Wenn man einen Meter neben einem Opernsänger steht, hört man nur noch den“, sagt Rovakis. „Ich kämpfe stark für Soundchecks. In der Oper kennt man das nicht.“

Athanasios Rovakis
Der Chef-Tonmeister der Wiener Staatsoper arbeitet mit Klang – bei Übertragungen, aber auch während der Vorstellungen.

Kommentare