Zadie Smith hat mehr zu sagen

"Swing Time": Noch eine Mädchenfreundschaft.

Dass Fred Astaire keinen Smoking besitzt und deshalb mit seiner Partnerin Ginger Rogers das Vortanzen versäumt (= in "Swing Time", 1936) ... es war allen Zuschauern ziemlich egal.

Bei den Filmmusicals muss man die Handlung in Kauf nehmen, um den Tanz zu sehen, um ein Lied zu hören, "A Fine Romance" ... um den Rhythmus zu spüren, wie die Erzählerin in Zadie Smith’ Roman, der ebenfalls "Swing Time" heißt, anmerkt.

Und das ist im Buch gar nicht so anders.

Tanzpartner

Ihr "Swing Time" steuert Kontrollpunkte an, Tanzpartner sozusagen, die den Takt vorgeben: Astaire, Michael Jackson, Nina Simone ...

Dazwischen bewegt sich die Geschichte einer Mädchenfreundschaft, die keine Konkurrenz für Elena Ferrantes Neapel-Saga ist.

Weil Zadie Smith vielschichtiger schreibt. Weil sie mehr zu sagen hat: über Rassismus, Feminismus, Bildung, Identität, Klassenunterschied, über den Nordwesten Londons sowieso – die 41-Jährige ist gebürtige Londonerin (und lebt in New York).

Im vorangegangenen Roman "London N-W" hetzte sie, ließ Satzzeichen und Wörter aus. Das macht sie diesmal nicht. Die Sprache fließt. Geblieben ist das Aufgesplitterte.

Ach so, der Inhalt – na gut:

Die namenlose Icherzählerin und eine gewisse Tracey werden in den 1980ern beim Ballettunterricht Freundinnen, zwei Kinder aus ärmlichem Haus, die einzigen "brown girls" – beide Siebenjährige haben einen schwarzen Elternteil.

Tracey ist als Tänzerin erfolgreich, die Erzählerin hat Plattfüße – im Dienst einer Popsängerin (ist das nicht Madonna?) wird sie lernen, wie sich "die Weißen" gern an Afrikanischem bedienen. Zum Beispiel an einem Adoptivkind aus Gambia.

Dagegen war Astaire in "Swing Time" harmlos, als er sich zu Ehren von "Bojangle" Robinson das Gesicht schwarz anmalen ließ.

Am 17. Oktober wird der Man Booker Prize verliehen: an Zadie Smith? Colson Whitehead ("Underground Railroad")? Paul Auster ("4 3 2 1")? an die Inderin Arundhati Roy ("Ministerium des äußersten Glücks")? Tipp: an Whitehead mit seinem Sklavendrama.

Zadie Smith:
„Swing Time“
Übersetzt von
Tanja Handels.
Verlag
Kiepenheuer & Witsch.
640 Seiten.
24,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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