"Woyzeck" - Demütigung und Resignation

"Woyzeck" - Demütigung und Resignation
Büchners Bühnendrama "Woyzeck" kommt mit schaurig-schöner Musik der Tiger Lillies ins MuseumsQuartier.

Es geht doch alles zum Teufel: Mann und Weib. Der Satz bleibt ebenso hängen im Hirn wie die Falsettstimme von Martyn Jacques bei den Proben zu "Woyzeck & Tiger Lillies" (ab 24. 9. im MuseumsQuartier). Da stehen Imbissbuden und Wohnwagen auf der Bühne. Der einfache Soldat Woyzeck (Raphael von Bargen) seift seinen Hauptmann - von Ben Becker sehr arrogant verkörpert - mit dem Rasierpinsel ein, derweil der polternd über die "Ewigkeit der Welt" sinniert. Und über das Pissen an die Wand. Denn: "Der Mensch ist frei. Im Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit."

Tiefschwarzer Humor

Georg Büchners Dramenfragment um den Soldaten Woyzeck, der zum Mörder seiner Freundin Marie (Ruth Brauer-Kvam) wird, ist hier nicht Schauspiel oder große Oper, sondern ein morbides Spektakel mit tiefschwarz-bissigem Humor und dem schaurig-schönen Sound der britischen Kultband The Tiger Lillies aus Londons verrufenem Soho.
Die Idee dazu entstand bereits bei der gemeinsamen Arbeit 2006 an Felix Mitterers Komödie "Die Weberischen". Vom Genre her "knüpft die aktuelle Produktion direkt an die Mozart-Black-Comedy an", sagt Stephanie Mohr. "Wir machen nicht Musical, sondern Theater mit Musik." Die Regisseurin outet sich als großer Fan von Büchner und seiner Sprache: "Der muss man unbedingt treu bleiben und darf sie auf keinen Fall ändern. Denn Büchner hat da etwas vollkommen Neues und Eigenes kreiert. Er war in seiner sprachlichen Knappheit schon ein Vorläufer von Brecht oder Horvath."

Schräge Musik

Die Musik der Tiger Lillies, die mit ihrer Operndeutung des Struwwelpeters berühmt wurden, ist angesiedelt zwischen Pop, Rock und Chanson und mündet in Varieté, Circus, Tanzshow, Konzert, Jahrmarkt - alles zusammen. Meist kommen die Songs grandios tragisch daher und wechseln von düsteren Balladen zur heiteren Polka - immer getragen von einer verblüffend lebensfrohen Melancholie. Die Texte sind kantig und herzerweichend wie die von Tom Waits.
Ober-Lilly Martyn Jacques, der Kontertenor mit dem Make-up im Gesicht, gefallen die Bilder von Toulouse-Lautrec. Und er liebt die Lieder der Piaf: "Neben der musikalischen Tradition des Chansons reizt es mich, über die dunklen Seiten des Lebens zu singen. Das Dunkle ist doch viel realer als das vermeintlich Schöne!" "Wie die Tiger Lillies die Schwarzhumorigkeit mit Ironie bringen, da muss man einfach lachen, auch wenn es einem gerade nicht gut geht", so Mohr. "Vielleicht sind sie da der Wiener Mentalität sehr ähnlich."

"Martyn Jacques ist in seinem für ihn typischen Minimalismus ein genialer Song-Komponist", sagt Christian Kolonovits, der wiederum die Bühnenmusik für die elf Musiker der Blaskapelle "Die Brassisten" geschrieben hat. Was klanglich Assoziationen an Bert Brecht, Kurt Weill und Hanns Eisler weckt, illustriert Woyzecks Außenwelt, das dörfliche und vom Militär geprägte Milieu der Titelfigur. Kolonovits: "Natürlich kommen die Wirtshausmusiken so, dass man glaubt, es gibt sie schon. Obwohl das ganz neu und eigenständige komponierte Polkas oder Tänze sind." Büchners Spiel um Menschenwürde, Demütigung, Hilflosigkeit und Resignation wirkt viel düsterer und schwärzer als "Die Weberischen". Trotzdem steckt für Stephanie Mohr sehr viel Humor im Stück: "Oft wurde der Fehler begangen, den ,Woyzeck' total in die Sozialdrama-Kiste hineinzukicken. Der Humor und das Lebenslustige kamen dabei meist zu kurz. Aber ich glaube, dass das auch drinnen ist in diesem Stück."

Morbid: "Woyzeck" mit The Tiger Lillies

Stück: Raphael von Bargen, Ruth Brauer-Kvam, Joachim Bißmeier und Ben Becker - mit prominenter Besetzung präsentieren die Vereinigten Bühnen Wien "Woyzeck". Durch Georg Büchners frühen Tod 1837 blieb das Drama ein Fragment. So war es jedenfalls noch nie zu sehen: Gemeinsam mit der Londoner Kult-Kombo The Tiger Lillies entstand ein schaurig-schönes Drama Noir mit schrägen Songs und einer Brass Band, das die verschrobene Welt des Mörders spür- und hörbar macht.


Wann & Wo:
24. September bis 15. Oktober, täglich außer Sonntag (19.30 Uhr)
MuseumsQuartier Halle E
7., Museumsplatz 1
Karten: 01/58885

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