Eine beklemmende Wirkung entfaltet dort auch die Doppelconférence „A Handbook For The Israeli Theatre Director In Europe“, die am 2. März ihre Uraufführung erlebte: „Hannan Ishay und Ido Shaked berichten über ihre persönlichen Erlebnisse mit dem 7. Oktober. Der eine war in Paris, der andere Toronto, die Familie in Tel Aviv. Diese Passage beginnt mit einem Sirenenalarm, den ich, als ich dort eine Meisterklasse unterrichtet habe, mehrfach miterleben musste. Diese eindringliche Situation in den Katakomben, die im Zweiten Weltkrieg die Schutzräume waren: Das kann keine Bühne der Welt vermitteln.“
Charme und bitterböser Witz
Der Abend ist ein „Talk“ zwischen den beiden Theatermachern: „Sie sind Netanjahu-Kritiker von der ersten Stunde an. Niemand sonst in Europa kann es sich erlauben, so offen über das Leben in Israel zu sprechen.“ Aber nicht nur offen, sondern auch mit Charme und bitterbösem Witz: „Ich habe gestaunt, mit welcher Leichtigkeit sie reden können – auch über das Phänomen des propalästinensischen Israelis, der trotzdem seiner Heimat verhaftet ist und unter dem 7. Oktober leidet.“
Die Kasematten würde sie daher nicht aufgeben, auch wenn gerade das Stadttheater von Wr. Neustadt renoviert wird – und künftig ganzjährig bespielt werden soll. „Weil sie kein Theatergebäude mit den üblichen Ritualen, der üblichen Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum sind, ist der Zugang tatsächlich niederschwellig. Das heißt: Wir haben viel junges Publikum, das normalerweise nur ins Kino geht.“
Tatsächlich? „Ja“, sagt Krassnigg. „Es hat sich mittlerweile bei den Lehrern rumgesprochen, dass die Schülerinnen, wenn es schon ein Klassiker sein muss, hier nicht gleich den Brechreiz kriegen. Bei der letzten ,Medea‘ mit 70 Schülerinnen war es mucksmäuschenstill. Die Sprache klingt halt wie merkwürdige Musik, aber man kann die Aufführung als dreidimensionalen Film erleben: Da passiert etwas, an das die Schülerinnen andocken können! Sie werden nicht verarscht.“
Dass die Kasematten auch „Limitationen“ und „erhebliche Nachteile“ haben, gesteht Krassnigg ein. „Aber wir programmieren ja ganz bewusst für und in diesen Bauch hinein. Das würde nicht ein ganzes Jahr ziehen. Das zu glauben, wäre naiv. Aber sechs Wochen lang funktioniert das ziemlich gut.“ Und mehr als sechs Wochen würde sie auch gar nicht Programm machen wollen. Jedenfalls nicht in Wiener Neustadt.
Daher war sie auch nicht interessiert, das Stadttheater zu übernehmen: „Da geht es stark ums Verwalten, ich wäre komplett fehlbesetzt.“ Warum denn? „Aufgrund der aufgeblähten Strukturen, die man mitschleppen muss. Das heißt: Ich habe zwar bei der ,wortwiege‘ erheblich weniger Budget, aber eine große Freiheit.“ Sie überlässt es gerne Maria Großbauer, im Stadttheater alle Flöhe unter einen Hut bringen. Und realisiert lieber neue Projekte.
Das Seminar als Zerreißprobe
Zudem ist sie Professorin für Regie am Max Reinhardt Seminar. Es zu leiten, hätte sie nicht interessiert: „Ich war ja einmal Stellvertreterin – vom Herbst 2014 bis zum Jänner 2017 – und bin aus genau dem Punkt ausgestiegen. Tamara Metelka hat sich damals zerrissen für das Seminar! Das Institut zu leiten, das ja mit all den Vorstellungen auch fast ein Mittelbühnenbetrieb ist: Das würde mich überfordern!“ Bekanntlich ist Maria Happel, Intendantin der Festspiele Reichenau und Ensemblemitglied des Burgtheaters, letztes Jahr daran gescheitert.
Seit Anfang März leitet Alexandra Althoff das Seminar. Krassnigg streut ihr Rosen: „Sie war mehrere Jahre als Assistentin von Martin Kušej am Haus und leistete natürlich wesentlich mehr Arbeit. Das heißt: Sie hat in der Vergangenheit genügend Kenntnisse der Strukturen gesammelt. Sie ist zudem eine kluge Dramaturgin. Und es war eine richtige Entscheidung, jemanden ohne Professur zu bestellen. Denn die Leitung: Das ist ein voller Job!“
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