Wer verrückt ist, ist ja nicht deppert

"Dazwischen berühmt": Wolfgang Herrndorf
"Bilder deiner großen Liebe": Die Wanderung der wunderbaren Isa ist der letzte, unvollständig gebliebene Text.

Im Garten eines psychiatrischen Krankenhauses steht ein Mädchen, Isa, und sagt:

Verrücktsein heißt ja nur, dass man verrückt ist und nicht bescheuert. Kackt jemand schreiend auf den Gehsteig, bedeutet das noch lang nicht, dass er superkomplett "daneben" ist.

Die wunderbare Isa kennt man, wenn man Wolfgang Herrndorfs Jugendroman "Tschick" gelesen hat. Mehr als eine Million Leser haben sich gefreut, dass Wörter wie "vollgeschifft" und "endgesteuert" Literatur geworden sind. Und was für eine!

Die 14-jährige Isa, schon damals durchgeknallt, stand auf einer Müllhalde und hat ziemlich übel gerochen.

Jetzt ist sie in der Psychiatrie gelandet. Als das Tor aufgeht, weil ein Lastwagen hinausfährt, geht auch sie hinaus. Es folgt eine Wanderung.

Isa redet. Man darf nicht alles glauben. Wird wohl nicht stimmen, dass ihr Vater von einem Meteoriten erschlagen wurde. Aber man will ihr zuhören: Wenn sie sich mit einem Kapitän unterhält, der vielleicht Bankräuber ist, und mit einem Taubstummen, mit einem Fernfahrer, mit einem Schriftstelle, dem sie den Rasen mäht ... Isa ist eine Poetin.

Niemals Germanisten!

Wer verrückt ist, ist ja nicht deppert
Cover

"Bilder deiner großen Liebe" ist Wolfgang Herrndorfs letzter – unvollständig gebliebener – Roman. Der Hamburger, an einem Gehirntumor erkrankt, hat sich 2013 in Berlin erschossen, 49 Jahre alt. Bis zuletzt führte er Tagebuch, das posthum veröffentlicht wurde.

Er spielt selbst mit im Buch, vielleicht ist er ja die Isa. Vor allem aber spürt man ihn auf jeder Seite und merkt, was da verloren gegangen ist.

Herrndorf wollte ursprünglich, dass das Fragment vernichtet wird ("Niemals Germanisten ranlassen ... Journalisten mit der Waffe in der Hand vertreiben"), gab aber dann Freunden die Erlaubnis, den Text herauszugeben. Kleine Änderungen wurden gemacht, damit alles fließt.

Es wäre schade gewesen, hätte man darauf verzichten müssen.

Es sind "nur" Szenen, die gegen Ende, als Herrndorfs Konzentration schlechter wurde, kurz werden.

Die Leichtigkeit bleibt. Viele Sätze bleiben. Nein, diese Isa ist nicht bescheuert. Sie hat verstanden: "Ich komme aus der Scheiße, und in die Scheiße gehe ich irgendwann auch wieder. Aber zwischendurch werde ich berühmt."

Genauso ist es.

KURIER-Wertung:

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