Wolfgang Ambros: John Wayne mit der Gitarre
Manchmal haben Sie und ich mehr gemeinsam, als man glauben würde. Verzeihung, diese Behauptung ist natürlich anmaßend. Umso mehr, weil es hier um ein Lebensgefühl geht. Schließlich fehlt uns Deutschen ja der Schmäh, gell? Dennoch: Auch ich habe meine Jugend mit Wolfgang Ambros erlebt. Beste Freunde, erste Liebe, erster Schwips, oft hat „der Wolferl“ dazu gesungen.
Ambros im Ohr
Bei den meisten waren es wohl die Schulskikurse, bei denen Schifoan is des leiwandste zu grölen einfach dazugehörte. Ich bin ja keine Skifahrerin. Aber wo im deutschen Sprachraum gibt es Après-Ski ohne den Gassenhauer? Eben. Und wem klingt nicht Am Zentralfriedhof ist Stimmung, wia's sein Lebtag no net war im Ohr, wenn er an den Wiener Zentralfriedhof denkt? Auch jetzt, in diesem Moment ...
Ambros Songs zu hören ist auch ein Lebensgefühl
Es geht noch schlimmer
Die Nummer eins vom Wienerwald begleitete mein Leben schon, als ich im Schwarzwald noch zur Schule ging. Und seitdem ich in
Wien lebe (seit 1996), spielt’s seine Musik unüberhörbar laut in mir.
Es geht aber noch schlimmer: Gibt’s ein Hindernis im Leben, muss ich es bezwingen. Frei nach dem Watzmann-„Rustical“: Auffi muass i, ... Watzmann, Watzmann, Schicksalsberg ... du bist so groß und i nur a Zwerg. Fehlt die Inspiration, zieh ich mir „Für immer jung“ rein. Legendär auf YouTube jener Konzert-Mitschnitt, wo Ambros ins Publikum ruft „jetzt singts amoi es faden Ärsche“.
Da Hofa ist nicht Aldi
Inzwischen ist auch „Da Hofa“ Teil meines Lebens. Den summt es stets in mir, wenn ich an einem Hofer vorbeikomm. Jaja, ich weiß, dass „Da Hofa“ nix mit dem Supermarkt zu tun hat. Und bei uns heißt der ja Aldi. Habe längst gelernt, dass der „Hofa“-Text von „Wolferls“ Klassenkameraden Joesi Prokopetz stammt. Für Ambros mit 19 Jahren der Beginn einer Karriere, die ihm Höhen und Tiefen brachte. In der Liebe, der Freundschaft, gesundheitlich und menschlich. 1972 kommt „Alles andere zählt net mehr …“ auf den Markt sowie die Urversion des „ Watzmann“, ein genialer Wurf von Ambros, schon wieder Joesi Prokopetz und Manfred Tauchen. Noch ein Jahr später musste Ambros – kurz – zum Bundesheer. Es entstand das Abrüster-Lied „Tagwache“. Von den Radiosendern boykottiert, in Österreich bis heute Kult.
Wolfgang Ambros (r.) hatte mit „Da Hofa“ seinen ersten Erfolg. Der Text ist von Joesi Prokopetz (links im Bild). Eine Freundschaft seit bald 50 Jahren
Nena, Spliff und Ambros
So weit weg von Wien und in den Anfängen der Ambros-Karriere viel zu grün hinter den Ohren – dennoch trage ich Ambros-Lieder wie „Allan wia a Stan“ mit mir herum. Und zwar seit Mitte/Ende der Achtziger, als seine Karriere langsam einen Knick bekam. Wo und wie ich die einzelnen Songs kennen lernte, weiß ich nicht mehr genau. Aber ich erinner’ mich an endlose Wochenenden in Tournee- pardon Turnier-Mannschaftsbussen. Unterwegs zu Basketball-Wettkämpfen sangen wir neben Nena und Spliff auch Ambros. Vor allem den Zentralfriedhof und Passagen aus dem Watzmann. Am stimmgewaltigsten war die Uli. Sie schmetterte die Songs vom Ambros genauso locker raus wie sie Körbe warf – beherrschte jeden Text in perfektem Wienerisch. Echt woahr.
Auf einer besonders langen Fahrt hörten wir den Watzmann rauf und runter – bis das Band der Musikkassette riss. Wir waren süchtig nach dem „Auffi oder nit auffi“. Und die Musik begleitet mich auch hier und jetzt, Hollaröhdulliöh!
Das Musical „Der Watzmann ruft“ – seit 1974 ein Hit, auch auf deutschen Bühnen, war 2016 als Abschiedstournee zu sehen
Authentisch = Ambros
Bin ich etwa seltsam? Klar. Als Deutsche eine Ausnahme? Nein, Ambros hatte seit seinem ins Wienerische übersetzten Bob-Dylan-Album („Wie im Schlaf“, 1978) großen Erfolg in Deutschland. Auch „Der Watzmann ruft“ wurde zum Kult – von Wien bis Berlin. Vergangenes Jahr, nach mehr als 40 Jahren, dann leider die Abschiedstournee vom Schicksalsberg, für uns alle.
Dass die Deutschen derart auf den Ambros stehen sollen – also inklusive Jugend-Erinnerungen und so – hat einige Kollegen bei der letzten freizeit-Redaktionskonferenz erstaunt. Deshalb noch meine Blitzumfrage per WhatsApp. Natürlich repräsentativ. Das Ergebnis: Sarah aus Aachen ist Ambros wurscht, sie ist aber auch erst 25. Annette aus Stuttgart mag den Watzmann „immer noch sehr“. Und Hanne findet Ambros „total klasse“. Wir sind uns schnell einig, es ist der Schmäh, auch wenn wir ihn vielleicht nicht immer sofort verstehen, das Authentische, wohl auch Abgründige und Raubeinige.
John Wayne mit der Gitarre
Wie hat es Weggefährte Joesi Prokopetz 2015 in seiner Laudatio für Ambros im Wiener Rathaus, als der das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich bekam, so treffend formuliert: „Für mich war und ist er der John Wayne unter den österreichischen Populärmusikern“.
Dieser John Wayne mit der Gitarre macht gerade eine große Tour durch Deutschland und Österreich. Begleitet von Günter Dzikowski am Piano. Unplugged und ganz intim auf kleinen Bühnen. Damit will er zurück zu seinen Wurzeln. „In so einem Rahmen bist du unter ständiger Beobachtung, kannst dich nicht verstecken“, sagte er.
Wolfgang Ambros, gerade 65 Jahre alt geworden und kein bisschen leise. Derzeit ist er unplugged auf Tour – Wien, Graz, München bis Berlin
Ambros pur auf Tour - ich geh hin
Seit 7. März ist er wieder unterwegs, insgesamt 50 Auftritte soll es geben. Sogar an seinem 65. Geburtstag vergangene Woche spielte er – in Neuss bei Düsseldorf, danach Berlin. Ausverkauft in Aschaffenburg und Stuttgart. Ambros, die Nummer 1 vom Wienerwald, hat also auch im Pensionsalter selbst noch nicht genug von seinen Liedern. Und kommt natürlich auch nach Österreich: Graz, Passail, Wiener Neustadt zum Beispiel. Und am 23. Mai dann endlich Wien.
Ich geh hin, eh klar. Will mich mal bedanken. Dafür, dass er mir mit seinen Songs durch den grauen Wiener Alltag geholfen hat, als es schwierig für mich war, hier anzukommen, mich zuhaus’ zu fühlen. Mit Ambros ging das leichter. Super, was Musik alles kann – total klasse, Wolferl.
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