Ein Plädoyer fürs Rauchen und dergleichen

wolf wondratschek, honorafrei
"Mittwoch": Ein Geldschein macht die Runde.

Man könnt’ ja selbst ein bissl mehr reden mit den Leuten. Dann würde man vielleicht von einem alten Redakteur von der alten Zeit erfahren, als der Journalismus noch mit dem Tabak verheiratet war:

„Nicht nur muss ein Mann, wenn er schreibt, rauchen, die ganze Bude muss unter Feuer stehen.“

Dann saßen die Sätze. Dann loderte der Geist.

Heute sind Aschenbecher illegal wie Handgranaten. Bei Hüttenkäse und einer Schale Nüsse – was, bitte, soll da entstehen? Sätze, die Nichtraucher schreiben, schweigen, sie zeigen nicht die Zähne ...

Oder man kommt ins Gespräch mit einem Gynäkologen.

Vielleicht bedauert er Patientinnen, die kommen, obwohl bei ihnen alles in Ordnung ist – aber bei ihren Männern ist nichts in Ordnung: „Frauen, die darben, die sexuell verschimmeln!

Und eine Prostituierte, gefragt nach ihrem Beruf, würde vielleicht beim Plaudern antworten:

„Ich bin zuständig für Schadhaftes.“

Oder man trifft sogar Wolf Wondratschek, der dann philosophiert (bestimmt tut er das):

„Niemand kann verlangen, dass Gott ein Heiliger ist. Er ist Biologe.“

Atmen und Lachen

Der in Wien lebende deutsche Schriftsteller und Dichter – 70 wird er am 14. August – bleibt sich in „Mittwoch“ treu: Aus dem Alltag holt er das Größte. Das Atmen und das Lachen. Das war schon in Wondratscheks berühmten Gedichten so.

In ihnen hat er der „Hochkultur“ keinen besonderen Platz zugewiesen:

„Wir unterhielten uns über das Wetter

und Zadeks Shakespeare-Inszenierung, nicht wahr,

und über die Vorteile von Karottensaft.“

Seinen Verleger Jochen Jung bat Wondratschek, auf einen Klappentext zu verzichten. Nur ein Zitat Jorge Luis Borges’ dürfe stehen: „Er ließ seinen Geist schweifen, und er gab diesem Geist die Gestalt vieler Personen.“

Ein Plädoyer fürs Rauchen und dergleichen
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So ist „Mittwoch“. Ein Einhundert-Euro-Schein macht die Runde. Vom Hotel zum Automechaniker, ein Wirt hat ihn, dann eine Friseurin, man wechselt in eine Trafik, hier treffen einander gleich mehrere Lebensgeschichten ...

Nahtlos geht das. Fließend entsteht ein Porträt nach dem anderen, und bei keinem einzigen kommt man in Verlegenheit, dass man nichts zu tun haben möchte mit dem / mit der Porträtierten – alle will man kennenlernen; und falls es sie alle gar nicht gibt, falls alle tatsächlich „nur“ Wondratschek sind, dann muss man schleunigst ihn kennenlernen.

So viele Geschichten an nur einem Tag, dem Mittwoch. Man wartet auf Donnerstag, Freitag ...

KURIER-Wertung: ***** von *****

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