Wo die nackten Leichen tanzen

Eine Frau mit Partyhut sitzt an einem Tisch vor einem Kühlschrank mit einem Kalender, der den 31. Dezember zeigt.
„Heit bin e ned munta wuan“ im Volkstheater ist eine munter-makabre Moritat, die unter anderem mit Texten von H.C. Artmann arbeitet.

Es spielt Orgelmusik vom Band. Wer schon einmal am Zentralfriedhof auf eine Trauerfeier gewartet hat, erkennt die Melodie. Und auch das Personal. Claudia Sabitzer staubt als Pompfüneberer einen glänzend schwarzen Sarg ab, ein Plastiksackerl mit dem Aufdruck „Vienna Central Cemetery“ macht noch den letzten die Lokalität klar.

Für wen das Begräbnis ist, wird auch schon gezeigt. Frau Q. liegt tot im weißen Bauschbrautkleid in ihrer Wohnung, beim Abtransport fällt sie den Trägern von der Bahre. Die groteske Vorgeschichte dieses Exitus erzählt das Theaterstück „Heit bin e ned munta wuan“.

Devotionalien der Vergänglichkeit

Wolfgang Menardi hat aus Texten von Friedrich Achleitner, H.C. Artmann (er steuert auch den Titel bei), Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener einen Todesliebe-Textteppich gewoben, in den sozusagen eine „schene Leich“ eingewickelt wird. Erzählt wird, simpel zusammengefasst, die Geschichte der einsamen Frau Q. (Samouil Stoyanov), die eine unerwiderte Liebe von der Ferne anschwärmt. Den blondgelockten Mann ersticht sie und hat ihn dann ganz für sich. Bis sie als Folge dieser „Liebesnacht“ selbst stirbt.

Wolfgang Menardi, der auch das Bühnenbild gestaltet hat, arbeitet viel mit Details. Die Wohnung der Frau Q. ist an sich schon ein Sammelplatz der Vergänglichkeit: Habsburg-Devotionalien wie Kaiserbüsten und „Sissi“-Filmplakate und ausgestopfte Vögel wechseln sich ab. Viele Gegenstände weisen in die Zukunft. Im Fernseher werden einsame Herzen verkuppelt: erst Hunde von Edith Klinger in „Wer will mich?“, dann Menschen von Rainhard Fendrich in „Herzblatt“.

Wienerliedklänge

Stoyanov ist nicht immer allein auf der Bühne, Frau Q. hat Gesellschaft – von sich selbst. Ihre drei Klone sind Wienerlied-Musikanten (Ingrid Eder, Flora Geißelbrecht, Sixtus Preiss), die die Texte oft herzzerreißend vertonen.

Es gelingt Menardi erstaunlich gut, die Oaschfut-Lyrik eines Rühm, den Silbennonsens eines Achleitner und die düstere Liebesagonie eines Artmann harmonisch zu verbinden, Stoyanov übernimmt die Facetten treffend und unterhaltsam. Und mit einer dringlichen Körperlichkeit. Die zeigt sich besonders in der grotesken Szene, in der Frau Q. mit dem nackten Leichnam-Liebhaber (Matteo Haitzmann) tanzt. In der Sabitzer – ihre Texte stammen aus der Doku „Die Pompfüneberer - Ein Tag auf dem Wiener Zentralfriedhof“ – mit Gedanken zu „Würde und Pietät“ eine schaurige Gegenerzählung bietet.

Eine makabre Moritat, die durchaus in das schwarzhumorige Weltbild eines H.C. Artmann passt und ein bunter Beweis dafür ist, dass diese Literatur viel an modernem Zugang verträgt. Aber nichts für Nacktpenis-Phobiker.

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