Wilfried Scheutz: "Ich bin ein alter Querulant"
KURIER: Ihr Sohn Hanibal ist sehr erfolgreich mit seiner Band 5/8erl in Ehr'n und für Sie ein Quell der Freude. Wie geht es aus Ihrer Beobachtung der österreichischen Musikszene?
Wilfried Scheutz: So gut wie schon lange nicht mehr. Die neue Generation ist großartig. Bilderbuch finde ich große Klasse, eine tolle Band. Auch live. Wanda ist nicht mein Fall, aber die übernehmen so die Ambros-Rolle. Alles sehr professionell. Obwohl sich in der Wahrnehmung der Medien nichts geändert hat. Da muss noch immer etwas aus Deutschland kommen, damit es hier als gut gilt.
Newcomer haben es schwer, sich durchzusetzen?
Ja. Aber das Internet hat schon bessere Bedingungen geschaffen – in der Verbreitung. Ö3 braucht man nicht mehr, wobei die anderen Sender auch keine Österreicher spielen. Das tun sie erst, wenn sie nicht mehr anders können. Warum das so ist, ist mir schleierhaft. Irgendein Argument fällt ihnen immer ein.
Früher war das anders?
Natürlich. Evamaria Kaiser und Ö3 haben damals beschlossen, heimische Talente zu fördern und zu spielen. Diese Verbreitung hat unsere Karriere gemacht. Inzwischen läuft das über das Internet. Die Band 5/8erl in Ehr’n hat 300.000 bis 500.00 Klicks wie eine internationale Spitzenband. Zu Recht.
ORF-Generalsaspirant Richard Grasl sagt: "Ö3 soll kein Jugendradio mehr sein."
Weil die selber schon alt sind. Ich zitiere Armin Thurnher: "Der einzige Faschismus, der sich von selbst löst, ist der Jugendfaschismus."
Hören Sie denn Ö3?
Nein. Nur Ö1. Auch keinen anderen Radiosender. Wenn die anfangen zu reden, bin ich schon weg. Ich halte diese gespielte Jugendlichkeit nicht aus. Da öffnet sich mein Schließmuskel. Gott, ist das blöd, dieses Getue. Die sind ja nicht so, die spielen das nur.
Und wo sind die jungen Hörer?
Immer ganz woanders. Wenn mein Sohn Ö3 hört, weiß er überhaupt nicht, was das ist. Wer sich für Musik interessiert, hört ja nicht Ö3. Aber was die jungen Leute von heute betrifft, bin ich extrem hoffnungsvoll. Ich lerne jetzt von meinem Sohn, der auch mein neues Album produziert hat: "Gut Lack", weil ein Song "Das hat an Lack" heißt – wie der 70er-Jahre-Spruch. Das glänzt quasi. Ich hab’ eine Mordstrumfreud mit der schönen Platte.
Ihre Stimme war immer sofort erkennbar, erinnert an Kevin Coyne oder Roger Chapman.
Ich habe viel geschrien. Ich bin ein Shouter. Das war das Einzige, was mich immer interessiert hat: Big Joe Turner oder Muddy Waters ... Coyne war ein Lehrmeister von mir. Chapman auch einer meiner Heroen. Wie Leon Thomas: Durch ihn habe ich gelernt, dass Jodeln nicht blöd ist in der Rockmusik und im Jazz.
Und Andreas Gabalier?
Den kenne ich nur vom Weghören. Und wenn der etwas Politisches sagt, höre ich nicht einmal weg. Jetzt erklärt er gerade den Deutschen, dass ihr Land den Bach runtergeht, der große Philosoph Gabalier.
Was ärgert Sie sonst?
Was mich wirklich aufregt, ist die Aufregung, die im Moment herrscht. Die total überzogene Aufregung wegen jedem Schmarren. Über alles wird gedröhnt wie verrückt. Es gibt überhaupt keine Differenzierung mehr. Nur mehr voll auf die Nuss. Dazu haben die neuen Medien viel beigetragen. Aber ganz schlimm finde ich den allgemeinen Rechtsruck, der auch mit Gedankenlosigkeit zu tun hat.
Welche Musik hören Sie?
Fast nur neues Zeug, aber alte Rockmusik auch wieder. Da schließt sich der Kreis. Ich bin ein alter Querulant und interessierte mich immer mehr für Spezialbands. Sogar zu alten Beatles- und Stones-Zeiten hörte ich neben Jethro Tull lieber The Easybeats, quasi die älteren Onkel von AC/DC. Und fand, ihr Song "Friday On My Mind" war viel besser als die Beatles. Und von Jeff Beck mit seiner Kombination aus altem Blues und Jazzrock, von dem kann ich mir immer alles anhören.
Und der Jazz hat Sie fasziniert?
Ja, immer schon. Und wenn ich frühe Aufnahmen von mir höre, stelle ich fest, ich habe immer auch jazzig gesungen. Intuitiv. Auch die neue Platte ist sehr jazzig. Es geht in die Richtung Erwachsenenmusik. Es bleibt mir nicht nur nichts anderes übrig, ich mache es auch gern.
Welche Stimme bringt Sie zum Weinen?
Bettye LaVette ist die Größte überhaupt. Auch weil sie so spät Karriere gemacht hat. Alison Krauss ist auch eine meiner Lieblingssängerinnen mit Crossover Country und Jazz.
Und Sie waren immer neugierig auf neue Musik.
Ja. Durch meinen Sohn habe ich auch keine Lücke. Denn seit er 14 Jahre alt war, habe ich auch seine Sachen gehört. Also auch alle die Brüllaffen aus dem Hardcore-Rock und so. Wenn man nur deren Gesang hört, glaubt man, die brüllen nur. Aber darunter ist oft neue Musik von zum Teil unglaublich guten Bands.
Und was reizt Sie daran, ab 17. August in Ringsgwandls Rockmusical "Die Tankstelle der Verdammten" im Wiener Stadtsaal den Vorstadtrocker Chuck zu spielen?
Das Stück hat eine böse Oberfläche, ist sehr tief und geht auch tief. Thomas Maurer hat es sehr schön ins Wienerische übertragen. Man merkt, dass diese sehr kreative böse wienerische Sprache auch ein Herz hat. Und die Figuren sind scheinbar primitiv, aber mit großem Tiefgang.
Und wie ist die Musik?
Das ist Gebrauchsrock mit zum Teil guten Hadern, musikalisch mindestens so wertvoll wie die "Rocky Horror Picture Show". Die ist auch nicht wertvoll und trotzdem klass.
Info: Ab 17. 8. (20 Uhr) "Die Tankstelle der Verdammten" u. a. mit Nadja Maleh, Eva Maria Marold und den Polka Punks (vormals "Das Balaton Combo"), im Stadtsaal; Mariahilfer Straße 81, Karten: 01/909 2244.
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