Wiens Gastspiel im globalen Museum

Wiens Gastspiel im globalen Museum
Das Guggenheim Museum in Bilbao feiert sein 15-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum gastiert die Albertina mit Schiele-Aquarellen im monumentalen Museumsbau.

Fast alles an diesem Museum ist groß: Die schimmernden, geschwungenen Gebäudeteile, die der Stararchitekt Frank O. Gehry einst ersann und der baskischen Regional-Hauptstadt als Markenzeichen aufdrückte; die vom französischen Starkünstler Daniel Buren verzierte Autobahnbrücke nebenan; und natürlich die Kunst.

Als das Guggenheim Museum Bilbao am 19. Oktober 1997 eröffnete, kam auch ein spezielles Räderspiel der Kunstwelt in Schwung: Immer größere Museen verlangten dabei immer größere Kunstwerke, die ihrerseits wiederum größere Räume suchten. Die Künstler, die dieses Spiel bis heute betreiben, sind fixer Bestandteil der Guggenheim-Sammlung: Skulpturen von Jeff Koons und Anish Kapoor sind im Außenraum zu sehen, innen versetzen Mega-Leinwände von Anselm Kiefer und Georg Baselitz sowie die Stahllandschaften von Richard Serra in Staunen.

Und Egon Schiele? Die Papierarbeiten aus der Wiener Albertina, die bis 6. Jänner in drei Sälen des Baus ausgestellt werden, sind nicht höher als 50 Zentimeter. Sie haben jedoch "eine innere Monumentalität", sagt Klaus Albrecht Schröder, als er Journalisten in Bilbao seine Auswahl der Blätter schmackhaft machen will.

Mission Schiele

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Die Mission des Albertina-Direktors wird rasch deutlich: Er möchte Schiele nicht nur als Denkmal der frühen Wiener Moderne präsentieren, sondern ihn an die zeitgenössische Kunst ankoppeln. "In seinen Aquarellen und Gouachen weist Schiele in die Gegenwart, in den Aktionismus und die Body-Art", sagt er.

Anders als beim letzten Schiele-Gastspiel in München, bei dem eine externe Kuratorin die Auswahl traf, wählte Schröder für Bilbao selbst eine chronologische Zusammenstellung. Diese erzählt des Künstlers Lebensgeschichte, kehrt aber auch spezielle Aspekte wie Schieles Darstellung von Kindern, seinen aus (unbewiesenen) Missbrauchsvorwürfen resultierenden Gefängnisaufenthalt 1912 oder seine Beziehung zu den Schwestern Edith und Adele Harms hervor. Über allem aber steht Schieles Überhöhung und Verzerrung von Körperhaltungen und Gesichtsausdrücken: Sie will Schröder nicht als ungefilterte Gemütsäußerungen, sondern als bewusst gewählte Posen verstanden wissen.

Inszenierung

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Das "Selbstbildnis mit heruntergezogenem Augenlid" (1910), in der Schau prominent platziert, ist Musterbeispiel einer solchen Inszenierung. Die Übertragung von gesellschaftlichen Spannungen auf den eigenen Körper sollte später ein Dauerthema in der Kunst werden – ob in der "Zerreißprobe" des Aktionisten Günter Brus (1970) oder in den Sezier-Zeichnungen des eigenen Gesichts, die heute der österreichische Künstler Tomak anfertigt. Auch die Assoziation mit den Posen des anderen großen Österreich-Kulturexports – Falco – findet Schröder nicht so weit hergeholt.

Weil das sensible Papier nach Ausstellungen immer wieder ruhen muss, sind nur wenige der in München gezeigten Blätter in Bilbao zu sehen. Anders als beim kontroversiellen Dürer-Gastspiel der Albertina in Madrid 2005 lief der Genehmigungs-Prozess nun "ganz reibungslos", wie die Leiterin der Ausfuhrabteilung im Bundesdenkmalamt, Ulrike Emberger, auf Nachfrage bestätigt.

Noch mehr sensible Objekte werden ab 30. Oktober im Guggenheim zu sehen sein: Dann gastiert die Claes-Oldenburg-Schau aus dem Wiener mumok mit vielen alten Papiermaché– und Pappobjekten im spektakulären Kunstbau. Bilbao wird dann noch ein kleines Stück wienerischer sein.

Der Biboa-Effekt

Neuer Louvre im Dezember, Guggenheim 2017: Als "Bilbao-Effekt" ging die Erfolgsgeschichte rasch um die Welt: Mit dem Guggenheim-Museum von Frank O. Gehry – und einigen weiteren architektonischen Hinguckern – hatte sich die nordspanische 352.000-Einwohner-Stadt von einer verschlafenen Hauptstadt der Eisenindustrie zum Hotspot auf der kulturellen Landkarte Europas gemausert. Das Rezept "Aufwertung durch Star-Architektur und Kunst" wurde vielfach kopiert. Das 2003 eröffnete, vom Architekten Peter Cook designte Kunsthaus Graz spekulierte ebenso mit dem Effekt wie das im Mai 2010 eröffnete Centre Pompidou im ostfranzösischen Metz oder das 2011 eröffnete UFO-artige Kulturzentrum des brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer in der spanischen 85.000-Einwohner-Stadt Avilés.

In Bilbao zieht das Guggenheim-Museum relativ konstant zwischen 850.000 und einer Million Besucher pro Jahr an (2011 waren es 962.358). Zwei Drittel der Besucher kommen aus dem Ausland, sagt Direktor Juan Ignacio Vidarte zum KURIER; Subventionen machen nur ein Drittel des Budgets aus.

Louvre

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Im kommenden Dezember wird im nordfranzösischen Lens – einem ehemaligen Bergbau-Zentrum – die nächste aufsehenerregende Museums-Filiale eröffnet. Das Pritzkerpreis-gekrönte Architektenteam Sanaa designte den "Louvre Lens" allerdings weniger monumental, sondern als schlichten Glaspavillon. Gezeigt wird eine rotierende Auswahl aus Meisterwerken des Louvre in Paris: Hintergrund ist das politische Ziel, die Kulturlandschaft Frankreichs zu dezentralisieren.

Das 2007 vollmundig angekündigte Museumsprojekt in Abu Dhabi ist im Sog der Finanzkrise indes ins Stocken geraten: Der von Jean Nouvel entworfene Louvre-Ableger soll nun nicht 2013, sondern frühestens 2015 eröffnen; die Einweihung der Guggenheim-Filiale Abu Dhabi, ursprünglich für 2014 avisiert, ist nun für 2017 geplant.

 

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