Naja, so halb, möchte man auf die entscheidende Frage im ersten „Parsifal“-Aufzug, „Weißt du, was du sahst?“, antworten (die Serebrennikow-Inszenierung mit ihrem doppelten Parsifal im Gefängnis erfordert einiges an Gedankengymnastik).
Vor allem weiß man nicht so recht, was man hätte hören sollen.
Axel Kober steht diesmal am Pult der allösterlichen Aufführungen von Wagners Bühnenweihfestspiel an der Wiener Staatsoper. Hier, bei dieser Ausnahmeoper über tiefste Schuld und erlösendste Sühne, ist man im Kern dessen, was das Repertoire am Ring ausmacht: Mitten im Betrieb hört man oftmals die besten Sängerinnen und Sänger, die alertesten Dirigenten, ein drängendes Orchester und ein fantastisches Lebens-Werk. Man geht, alljährlich, mit Spannung und Vorfreude hin.
Doch durch fast die ganze erste Aufführung der heurigen Spielserie ließ sich die Frage „Weißt du, was du hörst?“ nicht schlüssig beantworten. Kober stand, auch wenn das Ensemble und die Chöre an vielen Stellen gerne vorangetrieben hätten, konsequent auf der „Parsifal“-Bremse - was allein noch nicht unüblich wäre: Das wuchernde Werk lässt immer eine Tür offen für weihevollen Pathos, es birgt getragen-elegische Lesarten geradezu in sich.
Doch der erfahrende und am Schluss bejubelte Wagner-Dirigent Kober nützte zugleich die Zeit, um das Werk quasi unter der Lupe in Einzelteile zu zerlegen: Er holte aus der Wagnerwatte nacheinander Stimmen hervor, oftmals Bläserpartien, die (zuweilen wenig präzise) aus dem fast stehenden Gewässer auftauchten - und wieder versanken. Auch das ist eine argumentierbare Lesart: Wie abstrakt, wie nahe an den analytischen Musikkonstrukten des 20. Jahrhundert der „Parsifal“ unter der Oberfläche (auch) ist, hat vor einem Jahrzehnt Franz Welser-Möst an der Staatsoper exemplarisch gezeigt.
In Kombination aber geriet diese Lesart etwas gar sperrig - und zog den Sängerinnen und Sängern an manchen Momenten den Boden unter den Füßen weg: Günther Groissböck als Gurnemanz musste im ohnehin überaus schwierig spannend zu haltenden ersten Aufzug quasi die Drehorgel anwerfen und einiges an Kraft investieren, die er im dritten Aufzug dann doppelt drauflegen musste.
Klaus Florian Vogt als hell leuchtender, etwas lyrisch-distanzierter Parsifal musste im fließenden Finale mehrfach absetzen, bevor sich das Orchester weiterbewegte. Auch Anja Kampe als Kundry rettete sich über manche Passage mit intensiv zugespitzten Verschleifungen.
Umso mehr freute man sich über Gelungenes, etwa Vogts feinnuanciertes „Erlöse/Rette mich“ oder Kampes finalen Kundry-Monolog mit der wuchtig wirkenden Generalpause („und lachte“). Der für den erkrankten Ludovic Tézier kruzfristig eingesprungene Jordan Shanahan überzeugte als Amfortas.
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