"Zum Erfolg verdammt“
Ab 1. Juli übernimmt der Österreicher Matthias Naske von Bernhard Kerres die Leitung des Wiener Konzerthauses – eine Rückkehr nach Wien, das Naske vor einem Jahrzehnt verlassen hat, um die Luxemburger Philharmonie aufzubauen. Die Übergabephase „funktioniert „sehr gut“, sagt Naske im KURIER-Gespräch. Er hat viele Pläne ab der Saison 2014/’15, obwohl „es in der budgetären Konstellation nicht sehr viel Spielraum gibt“.
KURIER: Immerhin übernehmen Sie ein Haus mit mehr als sechs Millionen Euro Bauschulden.
Matthias Naske:Es ist für mich unvorstellbar, dass es nicht möglich sein soll, langfristige Pläne zu entwickeln – um das Haus in einem Zeitraum von fünf oder sieben Jahren zu entschulden. So viel sind sechs Millionen auch nicht. Aber: Das kann das Haus nicht alleine schaffen.
Das ist fast wortident mit dem, was Kerres jedes Jahr im Interview gesagt hat. Bewegt hat sich nichts. Selbst zum derzeitigen 100-Jahr-Jubiläum ...
das ist ja noch nicht vorbei ...
... aber es ist auch kein Signal einer Bewegung gekommen.
Wir werden erst im Oktober 100 Jahre. Bis dahin haben alle Partner noch ein wenig Bewegungsspielraum. Ich werde jenen, der einem Neustart zu eigen ist, so gut wie möglich nützen. Ich denke, dass wir Unterstützung finden können. Alles andere würde ich als sehr ungerecht empfinden. Dieses Haus erfüllt eine wichtige kulturpolitische Aufgabe. Da kann man sagen: Das wollen wir nicht mehr, oder: das finden wir nicht adäquat. Aber das möchte ich erstmal hören.
Die Förder-Euros sind ohnehin dank Inflation um ein Viertel weniger wert – die Subvention des Konzerthauses ist seit Jahren eingefroren.
Genau deshalb ist das Konzerthaus in der Situation, in der es heute ist. Das Konzerthaus und das Team von Bernhard Kerres machen das Beste daraus. Wir haben wie bei allen kulturellen Institutionen das Problem, das unsere Gewinndefinition relativ unscharf ist. Was ist der Gewinn einer kulturellen Institution? Der liegt für mich im individuellen Erleben von Menschen. Das klingt sehr weich, ist es auch.
Das kann man jedenfalls kaum in die Bilanzen aufnehmen.
Das kann man gar nicht in Zahlen ausdrücken. Aber ich denke, dass Konzert- und Opernhäuser Seelenorte von Gesellschaften sind, ganz wesentliche Orte für das gemeinschaftliche Wohl. Ich möchte jetzt nicht groß tönen, dass in Luxemburg alles gelungen ist. Aber es ist ein wichtiger Ort für die Luxemburger geworden.
Wie soll sich denn das Konzerthaus im Wiener Musikgeschehen einordnen, auch in Richtung Musikverein?
Ich bin einer der ersten Generalsekretäre – oder heißt das jetzt Intendant? – des Wiener Konzerthauses, der eine sehr gute Beziehung mit dem Musikverein hat. Die anderen hatten die dann auch über die Jahre. Aber ich habe sie schon, zumindest jetzt am Anfang (lacht). Ich kenne (Musikvereinschef, Anm.) Thomas Angyan seit 30 Jahren, das ist eine gewisse Basis. Ich möchte überhaupt keine Barrieren gegenüber dem Musikverein aufbauen. Die haben eine ganz wichtige, wunderbare, aber ein bisschen andere Rolle.
Nichtsdestotrotz: Das Wiener Musikparkett ist sehr glatt. Kommen Sie gänzlich unbeschwert zurück?
Ich würde es nicht machen, wenn ich es nicht wäre. Die Halbwertszeit der Konzerthaus-Intendanten ist ja nicht legendär lang. Jeder Intendant eines so großen Hauses ist zum Erfolg verdammt. Das macht mir nichts. Ich stelle mich dieser Herausforderung mit offenem Herzen.
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