"Das ist die traurigste Musik, die mir jemals begegnet ist"
Er ist ein Raumklangbildzauberer des Welttheaters: der Maler, Bühnenbildner und Regisseur Achim Freyer. Bei den Festwochen zeigt der vitale 81-Jährige die Tragödie des Fürsten Carlo Gesualdo, der 1590 seine Frau und ihren Geliebten in flagranti erwischt, ermordet und dann – tief depressiv – herrliche Musik komponiert.
KURIER: Wie bringen Sie "Die tödliche Blume" zum Blühen?
Und Ihre Handschrift ist stets deutlich erkennbar?
Ja. Ich bin immer wieder überrascht, dass es doch immer ein Achim Freyer wird, obwohl ich ja völlig anders sein möchte mit jeder Arbeit, die ich mache. Aber ich werde immer erkannt.
Gibt die Oper dem Regisseur nicht ein enges Korsett vor?
Nein. Die Musik ist eine wunderbare Form, die für mich nicht als Korsett auftritt, sondern als Anregung zum Sichtbar-Machen dieser Musik, die mich in ihrer Dimension richtig erschüttert hat. Es ist die zeitgenössische Klangwelt, es ist eine Stimmdimension, die mit noch nie begegnet ist, als würden auf fremden Planeten Wesen miteinander kommunizieren.
Die Geschichte über einen Doppelmord ist brutal?
Aber wer mordet nicht? Schauen Sie sich die Welt an. Wie viele Millionen Menschen in jedem Jahrhundert ermordet wurden. In der Oper geht es um Mord aus Liebe, aus einer großen Verzweiflung, vielleicht auch aus einem Minderwertigkeitskomplex. Gesualdo wurde damals nicht bestraft dafür, er hatte sogar eine neue Frau, aber blieb ewig unglücklich. Die Musik hat gewonnen. Sie ist die traurigste Musik, die mir begegnet ist.
Aber das Werk wird nur dreimal aufgeführt?
Leider. Das ist ein für mich schreckliches Phänomen: Dass wir Monate lang daran arbeiten, und dann ist das nach drei Vorstellungen für immer weg. Andererseits werden Stücke von mir, die seit 40 oder 50 Jahren laufen, vom Publikum so geliebt: "Freischütz" oder "Barbier von Sevilla", der noch immer läuft. Da habe ich alles in einem weißen Raum gemacht und sonst bunte Kostüme. Außer den Barbier.
Produktionen brauchen Zeit, um akzeptiert zu werden.
Aber diese Zeit nehmen wir uns heute nicht mehr. Wir werfen gern alles weg und haben riesige Berge Müll.
Sie inszenieren im Herbst in der Volksoper "Don Giovanni"?Ja, den habe ich schon zweimal gemacht. Beim dritten Mal wurde nichts daraus, weil das Teatro La Fenice in Venedig 1996 abgebrannt ist. In einem Notzelt haben wir dann in nur drei Tagen eine Neuinszenierung gemacht. Und das war meine beste Aufführung.
Wie schaffen Sie es, in einer mit Bildern ohnedies überfütterten Welt Bilder zu kreieren, die im Gedächtnis bleiben?
Wir haben es mit hochkarätiger Musik und hochkarätigen Themen zu tun. Was wir machen können, ist hochkarätiges Spiel mit hochkarätigen Bildern. Und die müssen der Musik standhalten. Und die müssen genauso sensibel, richtig dimensioniert und fantasievoll sein wie das Werk. Sonst wäre es nur eine Imitation von Wirklichkeit.
Was haben Sie für Pläne?
Im Frühjahr 2016 in Linz Débussys "Pelléas et Mélisande". Und zwei Opern interessieren mich sehr: "Parsifal" und "Lohengrin".
Am Dienstag haben Sie in Wien Claus Peymann getroffen, der im Februar 2016 Peter Handkes Stück "Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße" im Burgtheater uraufführen soll.
Ja. Wir sitzen jetzt beide über Handkes neuem Text. Aber ich weiß noch nicht, ob ich es schaffen werde.
Und mit Salzburg gibt’s keine Gespräche?
Gespräche schon. Aber ich habe noch keine Ahnung. Mir ist Markus Hinterhäuser auch so verwandt. Er hat am selben Tag Geburtstag wie ich. Wir haben den gleichen Charakter. Wir lassen uns nichts aufdrängen. Wir wollen eigene Entscheidungen treffen. Deshalb frage ich ihn nicht, und er sagt auch nur etwas, wenn er was zu sagen hat.
Info: 16. 5. (ab 16 Uhr) Eröffnung Festwochen-Zentrum Künstlerfest (Eintritt frei) www.festwochen.at
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