Bondy: "Desillusion hat keinen Sinn"

Bondy: "Desillusion hat keinen Sinn"
Luc Bondy spricht über die Uraufführung von "Die schönen Tage von Aranjuez" (15. Mai, Akademietheater), und seine Zukunftspläne in Paris.

Manchmal sei es mörderisch schwer, leicht zu sein, sagt Regisseur Luc Bondy: „Ich will, dass auf der Bühne alles wirkt, als sei es nie geprobt worden. Den Eindruck der Unmittelbarkeit, der Leichtigkeit zu erzielen, ist ganz schwierig.“ Die Rede ist von der Arbeit an der Uraufführung von „Die schönen Tage von Aranjuez“ (ab 15. Mai; Akademietheater) bei den Wiener Festwochen, die am Freitag auf dem Rathausplatz eröffnet werden.

Peter Handkes neues Stück sei „sehr eigensinnig“, so Bondy. Ein Paar, dargestellt von Dörte Lyssewski und Jens Harzer, will über die Liebe sprechen, das große, elementare, einzige Gefühl, das Mann und Frau wirklich verbinden könnte. Und macht doch mit jedem Satz, mit jedem Wort die Aussichtslosigkeit dieser Illusion deutlich.
„Es hat wie bei der berühmten Peer-Gynt-Zwiebel etwas Unendliches“, sagt Bondy. „Es mäandert von Erzählung zu Erzählung. Und ich muss einen Raum, einen Klang und einen Bewegungsablauf schaffen, dass es real wird und konkret.“

Botho Strauss – „Groß und Klein“ mit Cate Blanchett ist ein Höhepunkt der Festwochen – schreibt keine Stücke mehr, weil er auf der Bühne ein Erotiker sein wollte, heute aber am Theater – ästhetisch oder buchstäblich – die Pornografen dominieren.
Für Luc Bondy ist Erotik „ein Syno­nym für Anmut zum Beispiel von zwei Menschen auf der Bühne. Erotik ist das zulassende Moment in einer Kommunikation. Aus der Balance zwischen Zulassen und nicht Zulassen kann Erotik entstehen. Aber nie, wenn die Leute auf der Bühne keifen oder grapschen.“
Das Schwierige sei, „die richtige Form zu finden: Dass es so künstlich ist, dass es schon wieder normal ist“.
Regie-Arbeit ist vor allem Kommunikation. Und diese könnte auch Lüge sein, meinte Jean Genet. Bondys Traum vom Theater? „Die absolute Selbstverständlichkeit und Musikalität“ der

Atmung, der Körper, der Bewegung. Der Töne und der Stimmen. „Aus der Hässlichkeit eine Kunst machen konnte Lucian Freud. Aber der wollte es schön machen“, sagt Bondy.
„Hässlichkeit im Theater bewusst zu produzieren, aus Mangel an Wissen oder aus Mangel an einem bestimmten Hintergrund, ist furchtbar. Peter Zadek war ein großer Kämpfer im Sinne von Lucian Freud. Er liebte auch das Schrille, das Hässliche. Aber er konnte beides – und hat auch ästhetische Dinge gemacht.“

Nächste Station: Paris

Für Bondy wirkt am Theater heute vieles draufgesetzt: „Aber ich mag nicht das ,Theater‘ in Anführungszeichen. Ich kann mit Schauspielern fühlen. Das hat mit Spielen zu tun und ist nicht etwas in der Abstraktion. Ich nenne das mein Handwerk.“

Gedanklich ist der Fest­wochen-Intendant auch schon in Paris beim Odéon-Théâtre, dessen Leitung er übernommen hat. Wo er ab 20. August mit Bruno Ganz eine französische Fassung von „The Homecoming“ („Die Heimkehr“) von Harold Pinter probt. Wo Peter Stein ein Stück von Eugene Labiche inszenieren wird. Wo Bondy 2015 mit Cate Blanchett arbeiten will. Die Handke-Uraufführung soll in Paris ebenso gastieren wie Produktionen von Christoph Marthaler und Martin Kusej („Weibsteufel“).
„Im Odeon spielen wir en suite, denn das verbessert eine Inszenierung“, so Bondy. Dagegen wurde seine „Helena“ von 2011 am Burgtheater schon nach knapp einem Jahr wieder abgesetzt. „Selten gespielt und einfach weg damit“, so Bondy. „Dazu sage ich nichts.“
In Deutschland spielten sich jüngst einige auf mit ihrer Meinung, 50 Prozent der Kultureinrichtungen gehörten zugesperrt. Bondy: „Das wäre schrecklich. Das Theater in Deutschland war in seiner Großartigkeit doch eine Ausnahme im Vergleich zu Italien, England und Frankreich. Und das Verarmen einer Kultur wie Theater wäre eine Katastrophe, weil es eine sehr kommunikative Kultur ist. Die Situation in Italien ist für Künstler grauenvoll. Und in England kommt keine Tournee zustande, weil die Schauspieler die nächste TV-Serie zum Leben brauchen.“

Existenzielles

Ein Gefühl des Abschieds in seiner vorletzten Festwochen-Saison in Wien hat Bondy nicht: „Ich bin ein absoluter Jetzt-Mensch. Meine Vergangenheit interessiert mich nicht. Und die Zukunft lass ich einfach auf mich zukommen.“
Die „Energie der Boshaftigkeit“ einzelner Medien lässt er an sich abprallen und möchte „kein blöder egozentrischer alter Mann werden, sondern Großzügigkeit lernen. Und das Zulassen.“
Er werde nicht ewig Theater machen. Er will „kein 80-jähriger Regisseur werden, der die Ehrfurcht des Alters mitmacht. Da gab es nur wenige Ausnahmen wie Fritz Kortner und Peter Zadek.“
Und was tun, wenn das Leben signalisiert: Die Party ist vorbei? „Diese Gefühl habe ich jetzt schon immer wieder. Und dann geht es wieder weg“, sagt Bondy.
„Ich glaube nicht, dass man so endgültig sagen kann: Die Party ist vorbei. Bei Handke sagt der Mann: ,Süße Illusion.‘ Und die Frau: ,Illusion, aber süß.‘ Desillusioniert zu sein, hat keinen Sinn. Die Fiktion ist das, was auch das Leben ist. Der Unterschied zwischen Wahrheit und Nicht-Wahrheit ist ein Gedanke, der mir überhaupt nicht passt. Ich glaube nicht daran. Die Existenz ist etwas sehr Zwiespältiges, und man lebt diesen Zwiespalt entlang.“

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