Aufstieg und Fall der EU
Für "Das Haus der europäischen Geschichte im Exil" braucht man Neugier und Sinn für Humor: Die Ausstellung der Wiener Festwochen in der Postgasse 10 zeigt das Leben "in der ehemaligen Europäischen Union".
Wie es gewesen sein wird, wenn die EU im Jahr 2018 in sich zusammengekracht ist. Ein Flashback mit Retro-Charme auf das gescheiterte Projekt EU, das dann nur noch als entfernte Erinnerung existiert. Der belgische Künstler und Theatermacher Thomas Bellinck lässt die Besucher seiner Schau mit dem distanzierten Blick aus der Zukunft ins Gestern – etwa das Europa der Diktatoren – und Jetzt schauen. Bellincks hat versucht, "Menschen durch Fiktion für die Realität zu interessieren".
Der Weg führt durch ein Labyrinth aus vergammelten Gängen, Räumen und Stiegenhäusern: Erzählt wird u. a. von der Idee Europas als Friedensprojekt, dem Friedensnobelpreis 2012, von der Bananenkrümmungsverordnung und den anderen Richtlinien auf 311.000 Seiten oder 1,5 Tonnen Papier. Oder Brüssel als Hauptstadt des Lobbyismus.
Außerdem über die "demografische Bulimie" eines überalterten und zugleich xenophoben Kontinents, der Migranten als Zumutung und nicht als Notwendigkeit begreift. Und von der Verlustangst in der EU: Arbeitsplatz, Geld, soziale Sicherheit könnten abhanden kommen.
Die Angst wurde zur Triebfeder für politische Entscheidungen, gab rechtsradikalen Parteien Rückenwind. Lässt etwa H.C. Strache "Zu viel EU ist dumm" affichieren, während andere zu viel Dummheit bei just jenen FPÖ-Plakaten orten.
"Die eisernen Sparmaßnahmen forderten ihren Tribut", provoziert zum Nachdenken. Die Therapie sei noch schädlicher gewesen als die Krankheit, denn die Armuts- und Arbeitslosenzahlen stiegen drastisch an.
Das Fazit der gespenstischen Schau? "Als der europäische Traum verblasst war, tobte die Diskussion um Schuld und Verantwortung noch Generationen weiter. "
Am Ende steht die Frage: Warum man so viel über die EU nicht weiß? Warum vieles falsch kommuniziert wird? Warum Politiker nicht kommunizieren, was sie in Brüssel machen? "Es ist ja unsere Geschichte", sagt Bellinck. "Wir haben die EU erfunden, aber vergessen, wie sie funktioniert."Info: Bis 15. 6. (Mi.–Fr. 15 bis 20 und Sa.–So. 11 bis 20 Uhr); letzter Einlass: 18.30 Uhr; 1., Postgasse 10. Anmeldung erbeten unter 0664/22 589 47
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