Am 24. Jänner wurde das „European Artists Solidarity Program“ vorgestellt – anlässlich der Präsentation zweier Künstlerinnen aus Osteuropa in der Akademie der bildenden Künste. Doch zum Pressegespräch erschien nur eine: Die Ukrainerin weigerte sich, mit einer „Russin“ (bzw. Baschkirin) aufzutreten. Es herrscht eben Krieg.
Milo Rau, der neue Intendant der Wiener Festwochen, zog aus dem Vorfall keine Schlüsse: Wenige Tage später gab er bekannt, dass Oksana Lyniv am 2. Juni im Konzerthaus das Requiem „Babyn Yar“ des Ukrainers Jevhen Stankovych dirigieren werde – und Teodor Currentzis am 12. Juni im Burgtheater das „War Requiem“ von Benjamin Britten. Somit würden die monumentalen Antikriegswerke von einem „Aushängeschild“ ukrainischer Kultur, eben Lyniv, und einem von Russland vereinnahmten Griechen geleitet werden.
Zwangspartnerschaft?
Rau sagte gegenüber der APA, dass die beiden nicht „in ein gemeinsames Statement oder eine Zwangspartnerschaft“ verwickelt würden, aber zu den Konzerten bereit seien, „auch wenn sie natürlich ihre Distanz hätten, was vollkommen legitim sei“. Die Festwochen wären „eine schwache, feige Institution, würden wir sagen: Currentzis bringt zu viele unkontrollierbare Diskussionen.“ Mithin dient Lyniv als ausgleichendes Element.
Crescendo-Blogger Axel Brüggemann fragte zur Sicherheit bei der Dirigentin nach. Sie gab zur Antwort: „Ich kann es gegenüber den fast 150 Musikerinnen und Musikern, die aus dem Krieg in der Ukraine nach Wien reisen, nicht verantworten, in einem Kontext mit Teodor Currentzis gestellt zu werden und eventuell sogar an einem Whitewashing teilzunehmen. Currentzis’ Verbindungen nach Russland und sein Schweigen zum Angriffskrieg auf meine Heimat machen es derzeit unmöglich für mich, in einem Kontext mit ihm aufzutreten. Es war auch mit den Festwochen nicht abgesprochen, dass die Konzerte miteinander in Verbindung stehen.“
Milo Rau bedauert laut profil zwar, dass der „Eindruck einer inhaltlichen Zusammenarbeit erweckt“ worden sei – der Eklat wurde aber bewusst im Rahmen einer profanen Marketingaktion provoziert: Der Vorverkauf für „Babyn Yar“ und „War Requiem“ startete am 1. Februar, das Gesamtprogramm wird eigentlich erst am 1. März vorgestellt. Rau will an „Babyn Yar“ festhalten, scheut aber die Absage von Currentzis: „Wir befinden uns – nach wie vor – in inhaltlicher Abstimmung mit allen Beteiligten und Partner:innen der beiden Veranstaltungen.“
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