Abschiedsprogramm ohne Wehmut

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Die Wiener Festwochen (10. 5.–16. 6.) bringen neues von Lepage, Marthaler, Stemann, Kusej und Castellucci.

Emotionen hat Luc Bondy bei der Programmankündigung seiner letzten Saison. „Aber ich hasse Wehmut. Denn Wehmut ist der Feind für Neues,“ sagt er nach 16 Jahren an der Spitze der Wiener Festwochen und beklagt, dass das Budget an seinem neuen Arbeitsplatz im Theatre de l'Odeon in Paris geringer ist als jenes in Wien.

Als wichtigste Eigeninszenierung kündigt er Molières „Tartuffe“ im Akademietheater an: „Das Hauptthema ist die Heuchelei, wie sie in Politik, Wirtschaft und überall stattfindet.“ Am Spielplan steht zudem seine letzte Regie-Arbeit aus Paris: „Le Retour“ von Harold Pinter mit Bruno Ganz.

In Bondys letzter Spielzeit gibt es 41 Produktionen aus 36 Ländern, darunter zehn Uraufführungen und 4 Neuinszenierungen.

Abschiedsprogramm ohne Wehmut
APA10684520 - 17122012 - WIEN - ÖSTERREICH: Intendant Luc Bondy im Rahmen der PK "Wiener Festwochen 2013" am Montag, 17. Dezember 2012, in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Das Booklet der Festwochen (10. 5. – 16. 6.) ziert ein Auto im Spiegelbild: Woher kommen und wohin gehen wir? Und „How to get from here to there“, die Frage des indischen Künstlerkollektivs Raqs Media zum aktuellen Bildmotiv des Festivals, ist politisch inhaltlich und formal künstlerisch zu verstehen.

Stammgäste

Christoph Marthaler kommt mit seinem neuen Musik- Theaterprojekt „Letzte Tage. Ein Vorabend“ in den historischen Sitzungssaal des Parlaments. Ebenfalls am Vorabend des Ersten Weltkrieges spielt Miroslav Krležas Schauspieltrilogie „In Agonie“, die den Zerfall des Habsburgerreiches von Kroatien aus beschreibt. Martin Kušej führt Regie in dieser Koproduktion mit dem Münchener Residenztheater.

Robert Lepage mischt in Playing Cards 1: Spades“ , einem Stück über Las Vegas und die Spielsucht, Menschen und Kulturen wie Kartenfarben.

Romeo Castellucci zeigt „Über das Konzept des Angesichts von Gottes Sohn“ im Burgtheater. Nicolas Stemann installiert eine „Kommune der Wahrheit“, eine Gruppe von Schauspielern, Musikern und Dichtern, die sich im MuseumsQuartier einschließen, 120 Stunden lang ununterbrochen Nachrichten konsumieren, bis abends die Zuschauer dazu kommen. Johan Simons gastiert mit dem Beziehungsdrama „Gift“ von Lot Vekemans im Theater Akzent.

Beim Schauspielprogramm ist man auf der Suche nach einer „neuen Ästhetik des Widerstands“: Beim Ausstellungs- und Performanceparcours „Unruhe der Form“. Entwürfe des politischen Subjekts“ sind die Grenzen zwischen Theater, Musik und Literatur fließend.

Bespielt werden Secession, Akademie der bildenden Künste und Museumsquartier mit Beiträgen „zwischen bildender und darstellender Kunst“, die das „gesellschaftlich Andere imaginie- ren“, so Schauspielchefin Stefanie Carp. Aufträge ergingen u. a. an den Brasilianer Bruno Beltrão, der in Dança morta“ eine „nomadische Erfahrung durch Gestik“ verarbeitet. Und die Spanierin Ange­lica Liddell übersetzt das Wendy-Syndrom in eine Performance mit Walzer, Liebe und Pistolen.

Der Argentinier Mariano Pensotti inszeniert ein Stück über vier Filmemacher in Buenos Aires. Und das Tanztheater des Japaners Toshiki Okada oszilliert nach Fukushima um die Frage: Wie hält man die Frustration aus, in etwas wieder mitleben zu müssen, das man eigentlich verlassen wollte?

Christiane Jatahy erzählt in Julia, teils theatralisch, teils filmisch, dass überkommene patriarchale Machtstrukturen in einer segregierten Gesellschaft stärker sind als die Gefühle. Und der junge Australier Simon Stone blickt in einer heutigen Ibsen-„Wildente“-Version auf die private und soziale Krise der abstürzenden Middle Class.

Die von Nicholas Ofczarek moderierte Festivaleröffnung am 10. Mai am Rathausplatz ist dem Genre Wienerlied von bissig bis klassisch, weinselig-schunkelnd bis avantgardistisch gewidmet.

www.festwochen.at

Lissners sehr dezenter Abgang aus Wien

Bei der Festwochen-Spielplanpräsentation am Montag war Stéphane Lissner nicht mehr anwesend; zu verkünden gab es im Bereich Musiktheater ohnehin nicht viel. Mit „Il Trovatore“ wird ab 26. 5. im Theater an der Wien der Verdi-Zyklus abgeschlossen; Philip Stölzl inszeniert, und Omer Meir Wellber dirigiert das ORF-RSO Wien.

Immerhin kommt mit George Benjamins neuer Oper „Written on Skin“ (Text: Martin Crimp) eine heftig akklamierte Produktion aus Aix ins Theater an der Wien. Regie: Katie Mitchell. Kent Nagano leitet das Klangforum Wien. Premiere: 14. Juni.

Als Auftragswerk und Koproduktion mit NetzZeit ist die Uraufführung von Franz Koglmanns Oper „JOIN!“ im Museumsquartier (ab 8. Mai) zu sehen. Es spielt das Ensemble die reihe (Leitung: Koen Schoots); Regie führt NetzZeit-Chef Michael Scheidl.

Unter dem Titel „music and politics“ steht die Reihe „Into the City“. Hier gibt es am Hundsturm ein Musiktheaterwerk namens „Die Ballade von El Muerto“ von Diego Collatti (Musik) und Juan Tafur (Text). Dazu gibt es an verschiedenen Orten Rock, Pop, Rap, etc. rund um den Arabischen Frühling und andere Krisenländer.
 

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