Wien Museum Neu: „Natürlich ist es – auch – ein Klotz“
Am 3. Februar wurde das Wien Museum am Karlsplatz geschlossen – aus Gründen, die für manche nicht unbedingt nachvollziehbar sind. Man sieht zwar, dass es Befundungen gegeben haben muss. Zudem wirkt das Gebäude, 1954-59 nach den Plänen von Oswald Haerdtl errichtet, ziemlich ramponiert. Von Bauarbeiten aber merkt man nichts. Die Leitung des Museums – Direktor Matti Bunzl und Geschäftsführerin Christina Schwarz – kam daher gehörig unter Druck und in Erklärungsnotstand.
Gebetsmühlenartig wiederholten die beiden: „Das Projekt ist auf Schiene, sowohl was den Zeitplan als auch was die projektierten Kosten betrifft. Anderwärtige Darstellungen entbehren jeder sachlichen Grundlage und sind bloße Polemik.“ Wirkliche Fakten aber blieben sie schuldig. Denn sie konnten nicht einmal eine Visualisierung der Gebäuderückseite präsentieren. Und der rechtskräftige Baubescheid lag erst Ende März, zwei Monate nach der Schließung, vor. Zudem stand der Verdacht im Raum, dass man das Museum zu früh geschlossen habe. Denn es gibt weiterhin keinen Generalunternehmer, ja nicht einmal die Ausschreibung.
Doch nun gingen Matti Bunzl und Christina Schwarz in die Offensive: Sie luden den KURIER zu einer Begehung ein. Das Wien Museum ist schon ziemlich leer, derzeit wird das riesige Modell der Altstadt verpackt. Eine besondere Herausforderung sei es gewesen, das Grillparzer- und das Loos-Zimmer abzubauen, da diese integrale Bestandteile der Dauerausstellung waren.
Schwebegeschoß
In einem der Säle sieht man den Beton, der für die „fette Matratze“ verwendet werden soll. Bunzl widerstrebt der vom Boulevard geprägte Begriff: „Natürlich ist er – auch – ein Klotz“, so der Direktor. „Aber die Architekten wollten etwas über dem Haerdtl-Bau Schwebendes. Und das ist ihnen mit dem Fugengeschoß gelungen.“ Der Neubau – gemeinhin „Schwebegeschoß“ genannt – setzt also nicht nahtlos auf dem Bestand auf; als Trennung fungiert eine Terrasse, die einen spektakulären Blick auf die Karlskirche verspricht.
Seit der Präsentation des siegreichen Projekts von Winkler+Ruck und Ferdinand Certov im Jahr 2015 hat sich einiges getan – etwa in der Materialität. Der „Klotz“ sollte nicht so schwer auf dem denkmalgeschützten Baukörper lasten. Man verwendet daher einen betont hellen Beton und lässt Fugen zwischen den Brettern der Holzverschalung. Dies führt dazu, dass die Ritzen zu Lamellen werden. Die Oberfläche werde daher, so Schwarz, reliefartig sein und sich im Laufe des Tages aufgrund des Lichteinfalls verändern.
An sich soll das Wien Museum wieder, wie einst, ein Solitär sein. Ob die dreigliedrige „Brücke“, das Verbindungselement zum benachbarten Winterthurgebäude, wirklich abgerissen wird, scheint aber noch offen zu sein. Die Entscheidung habe das Versicherungsunternehmen Zurich zu treffen, das im Gegenzug für den Abriss der Brücke das Gebäude aufstocken darf. Allerdings laufen gegen das Vorhaben vom Boulevard unterstützte Bürgerinitiativen Sturm.
Das neue Rendering der Rückseite veranschaulicht, wenn von der „Brücke“ nur zwei der drei Glieder entfernt würden. Doch dies könne sich noch ändern. Man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet, sagt Schwarz. Mit 30. Juni jedenfalls gibt man die angemieteten Büro- und Lagerräume im Winterthurgebäude zurück.
Eine größere Leichtigkeit bekam der gläserne „Windfang“, den Bunzl „Pavillon“ nennt: „Er ist der Ort des Ankommens und Verabschiedens. Und er ist mit 215 Quadratmetern groß genug für kleine Ausstellungen oder Interventionen.“ Hier könne man auf gesellschaftspolitische Ereignisse reagieren.
Im anschließenden Foyer werde man Haerdtls Handschrift deutlich sehen können – wie sonst nur im vertäfelten Direktionsbüro. Denn überall gab es im letzten halben Jahrhundert Eingriffe. „Wir erhalten nur die originalen Teile“, sagt Bunzl. Dem Erweiterungsbau zum Opfer fällt daher auch die nachträgliche Verglasung des Atriums.
Dass der Innenhof die Stützen für die „Matratze“ und die Erschließung beherbergen werde, stimmt allerdings nicht: Als Träger fungieren seitlich des Atriums hochgezogene Wände; Treppen und Lifte befinden sich im Haerdtl-Bau.
Schattenseiten
Die neue Dauerausstellung werde chronologisch die Geschichte der Stadt vom Naturraum bis zur Gegenwart erzählen und sich – ähnlich zum Guggenheim-Museum – über drei Geschoße rund um das Atrium hinaufwinden. Matti Bunzl verwendet mehrfach die Wörter „brillant“ und „genial“. Zur Verfügung stünden 3.162 Quadratmeter – um die Hälfte mehr als bisher.
Und jedes Geschoß werde architektonisch anders gestaltet sein. Man will zum Beispiel nicht nur das goldene Zeitalter der Wiener Moderne mit Klimt und Schiele präsentieren – sondern auf den Rückseiten der Stellwände auch die Schattenseiten, darunter das Elend der Arbeiterklasse.
Völlig losgelöst von der Erde werden die Sonderausstellungen gezeigt – im „Schwebegeschoß“. 1207 Quadratmeter stehen zur Verfügung.
Doch die entscheidende Frage lautet: Wann wird mit den Bauarbeiten begonnen? Die Antwort fällt vage aus.
Die Bodenuntersuchungen wurden abgeschlossen, es seien – trotz Nähe zum Wien-Fluss und sandigem Untergrund – keine Komplikationen zu erwarten. Am 1. Oktober würden die archäologischen Untersuchungen beginnen. Und ab November stehe die Entkernung des Haerdtl-Baus an. Erst Ende des Jahres, wenn das Stahlbetongerippe freigelegt sei, werde man sich auf die Suche nach einem Generalunternehmer machen, erklärt Christina Schwarz. Der Vorteil sei, dass sich die interessierten Bauunternehmen ein exaktes Bild der Situation machen und keine Risikoaufschläge verrechnen können.
Die effektiven Bauarbeiten sollen laut Zeitplan im dritten Quartal 2020 beginnen. Mit einer Wiedereröffnung ist frühestens 2023 zu rechnen, auch 2024 sei kein Malheur. Sagt Matti Bunzl.
Und weil sich doch ein „Loch“ ergeben habe, werde man die leer geräumten Säle im Erdgeschoß den Sommer über für eine spezielle Bespielung nutzen. Bunzl will allerdings nicht vorgreifen: Das Projekt „Takeover“ wird am Donnerstag zusammen mit Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler vorgestellt.
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