Wien in all seiner Wurstigkeit

Wien in all seiner Wurstigkeit
In dem Bildband "Fünfundneunzig Wiener Würstelstände" wird eine kulinarische Institution fotografisch verewigt.

Wurstbuden und Hot Dog-Wägen gibt es fast überall auf der Welt, wo in Därme gepresstes Fleisch verzehrt wird. Aber dennoch ist kaum etwas wienerischer als der gute, alte Würstelstand.

In welcher architektonischen Vielfalt - und manchmal auch Einfalt - dieses Austriacum auftritt, ist ab nun in dem Bildband "Fünfundneunzig Wiener Würstelstände: The Hot 95" (Pustet) nachzuprüfen. Fotograf Stefan Oláh, der bereits Wiener Tankstellen, die Stadtbahnbögen und "Österreichische Architektur der Fünfziger Jahre" festgehalten hat, fotografierte nun ausgewählte Schnellimbisse in ganz Wien aus verschiedenen Perspektiven - ein weiterer wertvoller Beitrag Oláhs zur visuellen, architekturhistorischen Kartografie der Bundeshauptstadt.

"A Eitrige mit am Bugl"

Der Fotograf hat sich damit nun einer kulinarischen Institution angenommen, die auch klischeebehaftete Folklore ist. Denn es sind wohl eher Auswärtige, die tatsächlich versuchen "a Eitrige mit am Bugl und a'm Sechzehnablech" zu bestellen. Andererseits kann es in Wien schnell zur Glaubensdiskussion werden, ob man zu seinem "Burenheitl" einen "Siaßn" oder einen "Schoafn" isst.
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Ausgewählte Würstelstände aus dem Buch:

Wien in all seiner Wurstigkeit

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Der Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt setzt sich in seinen aufschlussreichen Textbeiträgen vor allem mit dem Würstelstand als soziokulturelles Phänomen auseinander. Selbst für die Wiener könne die "Erlangung der Hoffähigkeit an einem bestimmten 'Wiaschtlschtand'" regelrecht zum Initiationsritus werden.

Wien in all seiner Wurstigkeit
Fünfundneunzig Wiener Würstelstände: The Hot 95
Sebastian Hackenschmidt (Hsg.), Stefan Oláh (Fotograf), 144 Seiten, Anton Pustet Verlag. 19 Euro
Nach verschiedenen Mutproben habe etwa der Schriftsteller Daniel Glattauer in jungen Jahren eine Klobasse wie einen Siegerpokal entgegengenommen. "Es war meine erste echte Burenwurst", wird Glattauer zitiert.

Textlichen Beistand für die Herausarbeitung sprachlicher Eigenheiten holte sich Herausgeber Hackenschmidt etwa bei Dichter H.C. Artmann ("a r ogschöde buanwuascht") und den Liedermachern Ambros und Danzer: "A Kracherl und a Burnhaut, des hot mi oft scho virreghaut aufd Nocht, wann da Mogn krocht. I gib ma, bin i sehr am Sand, a Infusion beim Wirschtlstand, jawohl.“ (aus dem Lied "A Gulasch und a Seitel Bier").

Wann die Frankfurter erfunden wurden

Der Historiker Leonhard Weidinger zeichnet in seinem Text die Geschichte der Würste nach. Das Geräucherte reiche bis zu Homer zurück, sei bei den alten Griechen durch Vasenmalereien dokumentiert und wegen ihrer "Symbolik dekadent-sexueller Ausschweifung" in Konflikt mit dem aufkommenden Christentum geraten. Auch an Johann Georg Lahner, der 1805 die Frankfurter - die außerhalb Österreichs "Wiener Würstchen" heißen - erfunden hat, wird erinnert.

Wenn es um die Wurst geht, geht es letztlich aber immer auch um Leben und Tod - zumindest laut dem Schweizer "Eat-Art"-Künstler Daniel Spoerri: "Es geht bei diesem Gewürzten, Wirren, Zerstoßenen und Vermatschten um die Wurst; das heißt um die Haut, um den Darm, um den Schlauch, in den dieser Matsch gepresst wird; um ihn zu kochen, zu dünsten, zu braten, zu grillen - damit wir ihn wieder zerkauen, zerkleinern, um ihn noch einmal einem Darm einzuverleiben; ihn verdauen, auspressen, aussaugen, bis er wieder als Metawurst auferstehen und schleunigst verschwinden und weggespült werden kann."
Na dann: Moizeit!

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