Wie Winnetou einen kleinen Buben in Kärnten rettete
KURIER: Karl May hat Sie also als Kind beeindruckt.
Josef Winkler: Wohl auch wegen dieser Männerfreundschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand. Wohl auch, weil die Bücher ein Fluchtpunkt aus dem engen Dorf waren, in den Wilden Westen, den Nahen Osten.
Und die Sprache Karl Mays konnte Ihnen wohl egal sein.
Ich habe sie damals nicht so beurteilen können. Aber das Lesen dieser Bücher war für mich auch ein Lebensretter, sonst hätte alles absterben können, und ich hätte zu religiösen Büchern greifen können/müssen, sonst gab es nichts. Dann wäre aus mir ein Bischof geworden oder Kardinal. Ob das für die Kirche lustig geworden wäre?
Hätte aus Ihnen ein Unterhaltungsautor werden können?
Ich habe immer nur stur und blindwütig und sehwütig aufs Papier gebracht, was ich mir bringen musste. Ich wollte vor mir keine Mauern aufrichten. Das machen die Unterhaltungsschreiber ständig. Peter Handke nennt ihre Produkte "amerikanische Bahnhofsliteratur".
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In den Büchern des Büchner-Preisträgers kreisen Totenvögel über dem kreuzförmigen Heimatdorf Kamering.
Schutzlos erzählt er, wie er sich – zur Hitlerjungenfrisur gezwungen – in den 1960er-Jahren neben dem tyrannischen Vater und der schweigenden Mutter allein auf der Welt fühlte.
"Winnetou, Abel und ich" sind Kindheitserinnerungen: Bibelgeschichten versus erster Kinofilm, die erste Schreibmaschine, Geld stehlen für Karl-May-Bücher – die Erleuchtung mit 15, als Winkler Camus’ "Pest" las: Literatur wird seine Welt sein.
Die Zugabe im Buch überrascht: Er erzählt alle "Winnetou"-Geschichten nach.
Unnachahmlich.
Er karlmayt – nein, er winklert sich durch den Wilden Westen. Er zerstört Karl May bzw. hebt ihn empor. Wie man’s nimmt. Ein reizvoller Bonus, wiewohl Josef Winklers eigene Abenteuer im wilden Kärnten spannender sind; und brutaler.
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Sie haben "Winnetou" wiedergelesen. Wie war’s?
2500 Seiten waren hart. Aber die Geschichten-, Dialoge- und Szenenfindungen macht dem Karl May nicht so schnell ein anderer nach. Trotz allem war es vielleicht eine viel bessere Kindheitslektüre als heutige Bücher. Sofern Kinder überhaupt lesen, sie haben drei Apparate zu bedienen: Handy, Internet ... und noch so einen Krempel im Mittelformat (den Fernsehapparat, Red.).
KURIER-Wertung:
INFO: Josef Winkler „Winnetou, Abel und ich“ Mit Bildern des Karl-May-Illustrators Sascha Schneider. Suhrkamp Verlag. 143 Seiten. 17,50 Euro.
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